Erhard Lee, Inhaber des Vermögensverwalters AMG verwaltet ein Portfolio von 750 Millionen Schweizer Franken. Innerhalb des Swiss Market Index (SMI) hält er Swatch Group für den attraktivsten Substanzwert. Am meisten treibt ihn zurzeit der Fall von MCH Group um, in der seiner Ansicht nach viel Value steckt. Gegen die im September angekündigte Neuausrichtung der Messebetreiberin will er sich aber wehren. Mit Tick-Talk im Gespräch.
Anfang Jahr war Swatch Group noch die drittgrösste Position im Fonds, inzwischen liegt sie nur noch an fünfzehnter Stelle. Trauen Sie dem Uhrenhersteller nicht mehr so recht?
Doch. Die Spannungen rund um die Proteste in Hongkong haben dem Titel geschadet. Aber jetzt, nachdem sich der Kurs gegenüber dem letztjährigen Top halbiert hat, sind Swatch Group wieder ein blinder Kauf. Sie sind der beste Substanzwert im SMI.
Aber Sie haben diese Position im Fonds dieses Jahr stetig abgebaut?
Im Frühling haben wir die Position an Swatch Group um ein Drittel reduziert, auch weil wir Mittel für eine Dividendenausschüttung in unserem Fonds benötigten. Es wurde uns zudem immer ein bisschen vorgeworfen, dass wir Valoren aus dem SMI in unserem auf Nebenwerte ausgerichteten Fonds halten. Unsere Investoren, meistens professionelle Vermögensverwalter, decken die SMI-Titel selbst ab und sehen unseren Fonds als Ergänzung.
Probleme sehen Sie bei Swatch Group keine, etwa beim Management?
Es gibt vermutlich dynamischere Managements, was die Kostenkontrolle betrifft. Aber im Marketing macht die Führung um CEO Nick Hayek vieles richtig. Da sind sie brillant.
Hat der Bieler Uhrenkonzern nicht den Trend zu vernetzten Uhren wie der Apple Watch verpasst?
Man muss unterscheiden zwischen Schmuckstücken und elektronischen Geräten. Swatch Group verkauft Schmuckstücke, die noch die Zeit anzeigen. Der Mann ab vierzig trägt ausser seiner Uhr ja keinen Schmuck. Dieser Trend setzt sich fort. Swatch Group erzielt im Uhrengeschäft immer noch Topmargen. Nächstes Jahr läuft zudem die von der Weko auferlegte Lieferverpflichtung ab – Swatch Group muss die Konkurrenten also nicht mehr mit eigenen Uhrwerken bedienen. Dieser Effekt wird noch unterschätzt. Wenn Swatch Group es geschickt macht, zieht sie einen guten Marketingeffekt aus dem Umstand, dass sie ihre hochwertigen Uhrwerke nun exklusiv für ihre eigenen Topmarken verwenden darf. Zudem kann sie künftig für die Uhrwerke, die sie noch an Dritte verkauft, höhere Preise verlangen. Das wird einen positiven Margeneffekt haben.
Eine andere Frage betrifft die Distribution: Ist Swatch Group im wachsenden Online-Kanal präsent genug?
Ich glaube auch, dass der Online-Kanal wichtiger wird. Aber wer eine Luxusuhr kauft, will sie zuerst einmal in der Hand haben und sie am Handgelenk spüren. Es braucht darum auch den Verkauf vor Ort. Und es braucht Anlässe, an denen die Kunden die verschiedenen Uhren anschauen können, bevor sie sie über das Internet bestellen. Damit meine ich nicht eine grosse Messe wie die Baselworld, sondern regionale Events. Damit sind wir bei der Messebetreiberin MCH Group, die es verpasst hat, auf die Bedürfnisse des Marktes einzugehen und solche Events zu organisieren.
Der AMG-Fonds ist der zweitgrösste Aktionär bei MCH Group, die in der Krise steckt. Viele Messen laufen schlecht, speziell die Baselworld hat einen Einbruch erlitten, auch weil mit Swatch Group der wichtigste Aussteller nicht mehr mitmacht.
Das zeigt uns, dass MCH Group nicht mehr in der Lage gewesen ist, die Bedürfnisse der Swatch Group und anderer Kunden abzudecken. Ich denke, bei MCH Group hat es einige Managementfehler gegeben.
Vor gut einem Monat hat MCH Group eine Neuausrichtung angekündigt. Damit sind Sie respektive der AMG-Fonds aber nicht einverstanden?
Mit der neuen Strategie sind wir gar nicht einverstanden. Das war ein rein politischer Entscheid. Vertreter der Politik, die die Mehrheit im Verwaltungsrat der MCH Group stellen, haben sich dafür entschieden, dass in erster Linie die Nutzung der Messehallen zu sichern ist. Denn sonst hätte vor allem die Stadt Basel ein Problem, und Politiker kümmern sich nicht gern um Probleme. Für uns ist der gewählte Ansatz falsch. Wir sehen, dass das Messegeschäft sich globalisiert und viel mehr verbunden werden muss mit kleineren, regionalen Events. Dafür ist MCH Group eigentlich exzellent aufgestellt. Sie hat einerseits wichtige Stammmessen wie die Baselworld oder die Art Basel. Andererseits steht ihr dank der Dienstleistungssparte Live Marketing Solutions alles zur Verfügung, um auch kleinere Auftritte und Events für die Kunden zu organisieren.
Genau die Sparte Live Marketing Solutions soll nun verkauft werden.
Wir sind im Gegenteil der Meinung, dass MCH Group die Sparte Live Marketing Solutions ausbauen muss. Dieses Geschäft ist bisher einfach nicht richtig geführt worden. Vielleicht hat uns der langjährige Erfolg der MCH Group blind gemacht für solche Versäumnisse.
Der neue CEO, Bernd Stadlwieser, steht hinter der neuen Strategie und dem Verkauf von Live Marketing Solutions. Ist er die richtige Besetzung?
Bernd Stadlwieser ist erst seit einigen Monaten CEO und muss die vom Verwaltungsrat gewählte Strategie übernehmen. Im direkten Gespräch hat er unsere Ideen nicht von der Hand gewiesen.
Im letzten Monatsbericht des AMG Substanzwerte Schweiz heisst es, man werde alles daransetzen, dass die Strategie angepasst werde. Was bedeutet das?
Wir werden die Diskussion über die neue Strategie nochmals forcieren, und wir werden eine ausserordentliche Generalversammlung einberufen. Wann sie stattfinden soll, muss der Verwaltungsrat der MCH Group entscheiden. Für uns gibt es verschiedene Optionen, die wir nun verfolgen.
Braucht MCH Group, deren Eigenkapitalquote auf 12% gesunken ist, nicht noch eine Kapitalerhöhung?
Aus meiner Sicht braucht das Unternehmen keine Kapitalerhöhung. Vom Wert der Messehallen ist viel abgeschrieben worden. Sobald das Messe- und Eventgeschäft aber besser funktioniert und sich der Cashflow daraus verbessert, steigt der Wert dieser Immobilien wieder. Die öffentliche Hand kann ihn auch selbst optimieren, indem sie zulässt, dass die Hallen noch für anderes genutzt werden als nur für Messen. Ich bin sicher, dass in MCH Group noch viel Value steckt.
Nächste Woche haben Sie MCH Verwaltungsratssitzung. Sechs von elf Verwaltungsräten der MCH Group sind Politiker. Was wünscht sich der Grossaktionär Erhard Lee?
Unser Wunschszenario wäre es, wenn der Einfluss der Politik im Verwaltungsrat weniger wird. Damit solle mehr Kompetenz im Verwaltungsrat Einzug halten, in den Bereichen Immobilien, Kunst, Uhren und Event.
Sie haben schon mit möglichen Kandidaten gesprochen heisst es?
Das stimmt, einer meiner Kandidaten wäre Georges Kern, CEO und Minderheitsaktionär von Breitling. Dieser Vorschlag ist jedoch nicht auf eine Mehrheit gestossen, denn Herr Kern ist eine Persönlichkeit, die polarisiert.
Besten Dank für das Interview.
Erhard Lee
Der 58-jährige Erhard Lee hat vierzig Jahre Börsenerfahrung gesammelt, auch im hektischen Ringhandel. Heute will er als Anlageberater möglichst ruhig schlafen und investiert darum gerne in Unternehmen mit «langweiligen Geschäften». 2001 machte er sich selbständig und gründete die Vermögensverwaltungsgesellschaft AMG Analysen und Anlagen. Der 2004 lancierte Fonds AMG Substanzwerte Schweiz folgt dem Value-Stil. Er verwaltet heute ein Vermögen von gegen 400 Mio. Fr., konzentriert sich vor allem auf Small Caps und kann Leerverkäufe tätigen, um sich gegen Marktschwankungen abzusichern. Als Lee im Jahr 2001 seine Vermögensverwaltungsgesellschaft AMG Analysen und Anlagen gründete, waren die Börsen in den Sinkflug übergegangen. Seine Kunden machten in jener schwierigen Zeit jedoch keine Verluste – weil Value-Aktien sich gut hielten.