Der Streit um die Lieferpolitik der Swatch-Tochter geht weiter. Die Weko will nächste Woche einen weiteren Entscheid verkünden. Es ist ein neuerlicher Rückschlag für Uhren-Chef Nick Hayek.
Die Eidgenössische Wettbewerbskommission kurz Weko hat die Swatch-Tochter ETA im Visier. ETA hat bei Uhrwerken gemäss der Beratungsfirma Luxeconsult einen Marktanteil von 57 Prozent. Für 2020 soll ein Lieferverbot an die Konkurrenz gelten. Nachdem jahrelang Lieferzwang herrschte. Das berichtet die «Schweiz am Wochenende». Swatch und die Weko bestätigen auf Anfrage des TOURBILLON Blog Tick-Talk den Pressebericht.
«Die Wettbewerbskommission wird in dieser Angelegenheit in der nächsten Woche einen Entscheid fällen», sagt Weko-Sprecher Patrik Ducrey. Er kündigt eine Mitteilung für Donnerstag an.
Swatch-Chef Nick Hayek kritisiert die Behörde. «Die Wettbewerbskommis-sion hat doch nicht die Aufgabe, den Markt zu organisieren», sagt er zur «Schweiz am Wochenende». Sie müsse Marktmacht und deren Missbrauch verhindern. «Wenn ETA nicht liefern darf, führt das nicht zu mehr, sondern zu weniger Wettbewerb.»
Jahrelanger Streit
Die Weko und Swatch streiten sich schon seit fast zwei Jahrzehnten wegen der Solothurner Firma ETA. Die Behörden leiteten 2003 eine erste Untersuchung ein. Sechs Jahre später folgte eine weitere.
Die Kommission stellte wiederholt fest, dass ETA eine marktbeherrschende Stellung auf dem Markt für mechanische Uhrwerke hat. Sie verpflichtete Swatch zur Belieferung der Konkurrenz. Der Uhrenkonzern wollte dies einstellen.
Hayek kämpfte. Er errang einen Teilsieg. Der Deal mit der Weko sah vor, dass er die Rivalen zwar weiter mit Produkten aus seinem Haus versorgen musste. Aber durfte er die Liefermenge Jahr für Jahr reduzieren. Bis Ende 2019. Dann sollte er eigentlich frei sein, seine Lieferpolitik selbst zu bestimmen.
Rivalen sollen aufholen
Offenbar wird aus diesem Deal aber nichts. Die Weko führte im September 2018 eine weitere Marktbefragung durch. Um zu prüfen, ob der Wettbewerb nun spielt. Eine solche Befragung dauert anderthalb Jahre lang.
Bei Swatch fiel man aus allen Wolken. Die Planung für 2020 war dahin. Die Entscheidung soll nun nächste Woche verkündet werden. Offenbar kommt es zum Lieferstopp bei ETA. Damit die Rivalen Marktanteile gewinnen können. Um den künftigen Wettbewerb zu stärken.
Lieferstopp für ETA Werke im 2020
Es ist der nächste Rückschlag für Hayek. Er darf weiterhin nicht auswählen, wen er beliefert. Und das hat direkte Auswirkungen. Im Jahr 2019 verkaufte Swatch eine halbe Million mechanische Uhrwerke an die Konkurrenz. Im Jahr 2020 wird es nun offenbar kein einziges mehr sein.
Uhrenhersteller außerhalb der Swatch Group sind ratlos
Sollte das Lieferverbot kommen, werde man bestimmte Uhrenmodelle nicht wie geplant vorstellen können, kündigte bereits Chopard an. „Wir werden einige Umsatzeinbußen hinnehmen müssen“, sagte Friedrich Scheufele, Co-Präsident und Eigentümer von Chopard. Dabei sei die Marke aufgrund der eigenen Werkeproduktion besser gegen ein Lieferverbot gewappnet als andere, kleinere Betriebe. „Ich weiß nicht, wie solche Betriebe ein Lieferverbot überstehen sollen.“
Mögliche Alternativen sind die Kaliber Klons
Die Neue Zürcher Zeitung berichtete, dass viele ETA-Kunden zwar bestätigt hätten, dass viele Uhrwerkstypen auch anderweitig erhältlich seien, aber nicht alle. Dies gelte zum Beispielt für Mechanikwerke für Damenuhren, die derzeit niemand in ETA-Qualität zu einem ähnlichen Preis liefern könne.
„Gewinnerin wäre allenfalls die Firma Sellita“, so Alain Spinedi von Louis Erard. Denn diese habe es als einzige geschafft, alternative Werke zur ETA also Klons zu etablieren. „Aber selbst aus ihrer Sicht dürfte es zweifelhaft sein, ob ein Lieferverbot für die Swatch Group hilfreich ist. So wird Sellita, deren Produktion laut Marktbeobachtern derzeit bei rund einer Millionen Uhrwerken pro Jahr liegt, kaum von heute auf morgen 500.000 zusätzliche Uhrwerke verschiedenster Kaliber liefern können.“ Sellita produziert hauptsächlich Automatikuhrwerke und gibt diesen eigene Kaliberbezeichnungen. Angefangen wurde 2003 mit dem Kaliber SW200, dass ein Nachbau des populären ETA 2824-2 ist. Inzwischen werden 8 eigene Kaliber hergestellt und ausgeliefert. Es wurden ebenso die vier Qualitätsstufen (Standard, Elaboré, Top und Chronomètre) übernommen.
Bekannte Uhrenhersteller wie Alpina, Baume & Mercier, Hanhart, Mühle Glashütte, Oris, Sinn, etc. greifen auf das Sellita Kaliber zurück.
Eine Alternative zu Sellita könnte die zur Festina Gruppe gehörende Soprod sein. In erster Linie ist die Marke durch das Basiskaliber Soprod A10 bekannt. Neben dem A10 wurde 2014 auf der Baselworld eine Weiterentwicklung präsentiert: das Soprod A10-2. Preislich bewegen sich die Kaliber noch oberhalb von ETA und Sellita.
Neben Automatik-Uhrwerken bietet Soprod inzwischen auch Quarzuhr-werke an. Auch hier wird wieder das gehobene Preissegment ins Visier genommen. Soprod versucht einen neuen Weg zu gehen: Mechatronische Quarzwerke (mechanische Uhrwerke mit Elektronik). Solche Hybrids hat Soprod bereits im Portfolio wie zum Beispiel Kaliber SOP 716 sowie Kaliber SOP 813.
Das bekannteste Uhrwerk des Werkeherstellers ist das Soprod A10. Am ehesten lässt sich das Uhrwerk wohl mit dem ETA 2892 vergleichen. Es ist etwa 1 mm flacher als das bekannte ETA 2824-2. Das Uhrwerk ist preislich überhalb der ETA Uhrwerke angesiedelt und nur in Armbanduhren mit Preisen über 1.000 Euro zu finden. Die feinen Finissierungen und das Echappement rechtfertigen den happigen Preis durchaus.