Freitag , 19 April 2024
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Luc Tissot übernimmt Schweizer Uhrenmarke Milus

Luc Tissot, 82-jährig und letzter Direktor der bekannten, gleichnamigen Uhrenfirma, hat grosse Pläne. Er investiert in eine fast untergegangene Uhrenmarke, die einst sogar von einem bekannten US-Navy-Soldaten getragen wurde.

«Klar, ich hätte auch einfach nein sagen könne.» Mit 82 Jahren könnte Luc Tissot sein Leben als Rentner geniessen. Ein Hobby hat er schliesslich. Er kümmert sich um das kleine Museum in Le Locle, in dem Artefakte aus der über 160-jährigen Geschichte der Uhrenfamilie ausgestellt sind. «Erst kürzlich habe ich einen alten Brief meiner Urgrossmutter gefunden», sagt Tissot.

Er vertritt die fünfte Generation des Unternehmens und er war der letzte Direktor, bevor Swatch in den 70er-Jahren die Firma übernahm. «Das geschah damals im Zuge der Schweizer Uhrenkrise, als elektronische Uhren aus Japan boomten», erinnert sich Tissot. Die Firma wurde illiquid. Zuerst übernahmen die Banken das Ruder – und dann kam Hayek. «Das war eine schwierige Zeit», sagt Tissot.

Uhren-Unternehmer Luc Tissot von der Tissot-Dynastie hat neu die Marke Milus übernommen und will dieser frischen Wind einhauchen.

Geblieben ist das Museum in Neuenburg. Aber eben, Tissot will sich nicht nur darum kümmern. Er hat nicht nein gesagt, als er 2016 einem Bekannten angefragt wurde, ob er die fast untergegangene Schweizer Uhrenmarke Milus übernehmen wolle.

«Dieses Abenteuer und die Rückkehr in die Uhrenindustrie haben mich gereizt.» Tissot, adrett gekleidet mit Jackett und Gilet, empfängt am Hauptsitz von Milus an der unscheinbaren Route de Reuchenette in Biel. Mit Stolz präsentiert er im Sitzungszimmer die neuen Modelle.

Die Marke Milus wurde 1919 in Biel gegründet. «Wir sind quasi ein 100-jähriges Start-up», sagt Tissot. Er bezeichnet die Marke als «legendär». Das Problem mit Legenden ist nur: Mit der Zeit gehen sie vergessen. Dieses Schicksal ist auch Milus ereilt, wenn man sich bei Uhrenkennern umhört. Ihre Blütezeit hatte die Marke in den 1940-er-Jahren.

Für die US-Navy produzierte Milus während des Zweiten Weltkriegs eine Überlebensset, bestehend aus einer Uhr und goldenen Manschettenknöpfen. Für den Fall, dass die Navy-Soldaten in Gefangenschaft geraten, hätten sie mit dem wertvollen Set ein Pfand in der Hand, um ihre Freilassung zu erkaufen, erzählt Tissot.

Auf der Suche nach einem Bild von George Bush Senior

«George Bush Senior soll also auch eine Milus getragen haben», erzählt er. Der 41. Präsident der USA, der letztes Jahr verstorben ist, war Navy-Pilot während des Krieges. Alte Bilder von ihm mit einer Milus am Handgelenk habe er aber bisher nicht gefunden, sagt Tissot. Das modernisierte Modell, die «Snow Star», ist das Prunkstück in der neuen Kollektion, mit der Tissot die Händler und Endkunden überzeugen will.

2003 übernahm eine chinesische Schmuckfirma Milus. «Bis dahin stand die Marke für schlichte, elegante Uhren mit hoher Qualität, aber zu erschwinglichen Preisen», sagt Tissot. Milus gewann diverse Design-Auszeichnungen und in den 90er-Jahren wurde ein Modell gar im New Yorker Museum of Modern Art ausgestellt.

Mit der Chinesischen Uhrengruppe Peace Mark Holdings wurde im Sommer 2002 ein neuer Inhaber gefunden. Doch der neue Besitzer hatte eine andere Vision. Er verpasste Milus ein Facelifting und wollte sie als Luxus-Uhr positionieren. Noch heute hängen in den früheren Werkstätten am Hauptsitz Plakate von dieser Zeit mit Diamanten besetzten Uhren, die bis zu 300‘000 Franken kosteten.

Auch chinesische Zifferblätter und Kama-Sutra-Motive gab es. «Milus verlor seinen Charakter», sagt Tissot. Am Hauptsitz in Biel wurde es immer leerer, die Marke drohte zu verschwinden. Bis der Besitzer über einen Freund Luc Tissot kontaktierte und ihm ein Kaufangebot machte.

«Wir stellen uns der Herausforderung»

Bei der Wiederbelebung der Marke setzt der ETH-Ingenieur auf das usprüngliche Milus-Image. Die Preise liegen nun wieder zwischen 1000 und 2000 Franken. Allerdings ist das jenes Segment, das derzeit bei den Uhrenexporten besonders stark an Terrain verliert.

 Gewinner sind teure Marken wie Rolex oder Patek Philippe sowie die elektronischen Smartwatches. Dazwischen wird es schwierig. «Das wissen wir», sagt Tissot. «Aber wir stellen uns der Herausforderung.»

Am Hauptsitz, geprägt von einer klassischen Wendeltreppe, stehen noch immer Maschinen und Arbeitsplätze in den Produktionsräumen. Unbenutzt. Im Gebäude, das Tissot ebenfalls übernommen hat, arbeiten nun wieder acht Angestellte.

Sie kümmern sich um die Entwicklung, das Design und den Verkauf. Tissots Frau leitet die Administration. Und so kommt bei einem Rundgang tatsächlich etwas Start-up-Feeling auf. Die Produktion findet bei einem Partner im Neuenburger Jura statt. Es sei aber gut möglich, dass sie irgendwann wieder nach Biel zurückkomme, sagt Tissot.

Der Verkauf der neuen Uhren hat erst dieses Jahr begonnen. Für 2020 sind 2000 Stück budgetiert. In fünf Jahren sollen es 5000 sein, frohlockt Tissot. Wie viel er in das Revival von Milus investiert, will er nicht genau verraten. «Rund eine Million Franken», sagt Tissot, der das Unternehmertum im Blut hat.

Nachdem Ende der Unabhängigkeit der Firma Tissot, ging Luc Tissot Ende der 70er-Jahre neue Wege. Er gründete die Firma Precimed, der Herzschrittmacher herstellte. Als diese von einer US-Gruppe übernommen wurde, gründete er Medos, die Gehirndruck-Messgeräte produzierte und heute dem US-Pharma-Riesen Johnson&Johnson gehört. Heute ist er – nebst Milus – im Unternehmen Tissot Medical Research involviert, das Augendruck-Sensoren entwickelt.

Mit Händlern in den USA im Gespräch

Als Kernmärkte für Milus hat Tissot die Schweiz, Deutschland, Österreich, Frankreich und Skandinavien erkoren. Jene Märkte, in denen Milus einst besonders populär war. Zudem sei man mit möglichen Partnern in den USA in Gesprächen.

«Viele Händler kennen die Marke noch und zeigen sich vom Comeback begeistert, auch weil die Firma nun wieder in Schweizer Händen ist. Und natürlich hilft mein Name und die damit verbundene, über 100-jährige Uhrenmacher-Familientradition.»

Er selbst trage heute nur noch Milus-Uhren, sagt Tissot – trotz seines Namens. Und seine Familienmitglieder? «Die tragen noch immer eine Tissot, das kann ich ihnen nicht verübeln.» Der Unternehmer in ihm will es dabei aber nicht belassen. «Zu Weihnachten erhalten alle eine Milus-Uhr!»

Ein Plakat aus alten Zeiten, als die Uhrenmarke Milus bekannter war. Alle Bilder Sandra Ardizzone, WIR

About Karl Heinz Nuber

Nuber ist langjähriger unabhängiger Uhren Journalist und begann seine Karriere in den frühen 80er Jahren. Durch das Sammeln kam er zum Schreiben. Er ist Gründer des vierteljährlich regelmässig bilingual – Deutsch und English - erscheinenden TOURBILLON Magazin’s, der digitalen TOURBILLON Plattform TICK-Talk, der Ausstellungs- und Event Plattform Art of TOURBILLON und TOURBILLON TV. Er tritt regelmässig als Kenner der Branche in Erscheinung.

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