Seit vier Jahren stellt die Ronda AG mechanische Uhrwerke her. Genau das braucht die Schweizer Uhrenindustrie jetzt dringend.
Es ging ein Schock durch die Schweizer Uhrenindustrie, als vor Weihnachten die Wettbewerbskommission (Weko) ihren Entscheid bekannt gab. Dieser führt faktisch dazu, dass die ETA keine Schweizer Uhrenhersteller mit mechanischen Uhrwerken mehr beliefern darf. Das stellt viele unabhängige Uhrenmarken in der Schweiz vor Schwierigkeiten. Denn die ETA lieferte bisher rund eine halbe Million mechanische Werke an Fremdfirmen. Ohne sie kann der Bedarf in der Schweiz kaum abgedeckt werden. Dabei ist das «Swiss Made»-Label für die Schweizer Uhrenfirmen elementar, so auch für diejenigen in der Region.
«Der Entscheid der Weko ist unlogisch und unwirtschaftlich», sagt Patrik-Philipp Huber, bei Zeno zuständig fürs Marketing. Zeno ist hart betroffen. In über 80 Prozent der mechanischen Uhren des Basler Herstellers stecken Werke der ETA. Wertmässig ist der Anteil noch höher, weil mechanische Uhren meist hochklassiger sind. «Die Unsicherheit nach dem Weko-Urteil ist für uns das Schlimmste», sagt Huber.
Alte Uhrwerke in neue Uhren einzubauen, ist teuer
Es habe geheissen, kleine und mittelgrosse Firmen würden weiter von der ETA beliefert. Doch eine klare Antwort dazu hat er noch nicht erhalten. Noch bis im Sommer reichen die Lager an ETA-Werken bei Zeno. Danach kann man auf Werke aus aufgekauften Konkursfirmen zurückgreifen. Diese in neue Uhren einzubauen, ist aber teuer, der Preis der Uhren steigt. «Die Frage ist, ob die Kunden das akzeptieren», sagt Huber. Und in Modelle, die neu in der Pipeline seien, baue man Quarz-Werke ein.
In einer ähnlichen Situation wie Zeno dürfte sich der Tenniker Uhrenhersteller Grovana befinden. Das Familienunternehmen will sich nicht zum Weko-Entscheid äussern. Ein Blick auf die Produktepalette zeigt aber, dass in zahlreichen Uhren mechanische ETA-Werke stecken.
Doch es gibt auch Nutzniesser des Weko-Entscheids. Eine solche ist die Ronda AG in Lausen. Diese ist zwar hauptsächlich auf Quarz-Uhrwerke spezialisiert. «In diesem Segment sind wir die Nummer eins in der Schweiz», sagt Erich Mosset, Verwaltungsratsmitglied und Mitbesitzer des Unternehmens. Doch vor vier Jahren begann Ronda, zusätzlich das herzustellen, was seit einigen Wochen auf dem Markt höchst begehrt ist: Mechanische «Swiss Made»-Uhrwerke, die nicht von der ETA stammen. Ronda hatte bereits bis in die 1980er-Jahre mechanische Uhrwerke hergestellt, dann aber voll auf Quarz umgeschwenkt. Der Beschluss der Weko sei absehbar gewesen, sagt Mosset. «Deshalb entschieden wir vor einigen Jahren, wir gehen ins mechanische Segment hinein. Wir hatten uns das gut überlegt.» Er will weniger von einem «Glücksfall» reden, eher von einer bestätigten Strategie.
Jedenfalls war es ein goldrichtiger Entscheid, wie sich jetzt zeigt. In den vergangenen Wochen wurde das Unternehmen zwar nicht gerade mit Anfragen überhäuft, wie Mosset sagt. «Aber es laufen einige Gespräche. Es ist klar, dass jetzt viele Firmen von uns Uhrwerke haben möchten.» Ein möglicher Abnehmer ist Zeno. «Wir waren von Anfang an interessiert an den mechanischen Uhrwerken von Ronda», sagt Huber. «Aber bisher konnten wir keine bestellen.»
Ziel: Mehrere hunderttausend Stück pro Jahr
Die industrielle Herstellung von mechanischen Uhrwerken in hoher Stückzahl ist nämlich nichts, was sich auf einen Schlag bewerkstelligen lässt. So bietet die ETA eine breite Palette von mehrere Dutzend verschiedenen mechanischen Uhrwerken an. Ronda hat ein deutlich kleineres Angebot. Einige Tausend Stück verlassen jedes Jahr das Werkgelände in Lausen. «Wir stehen erst am Anfang der Industrialisierung», sagt Mosset. Das plötzlich entstandene Loch im Markt könne man nicht von heute auf morgen auffüllen, dafür brauche es Vorlauf. «Das wissen unsere Kunden.» Mosset versichert aber: Ronda werde Hand bieten, um ihnen zukünftig die benötigten Uhrwerke liefern zu können. «Mittelfristig wolle wir mehrere hunderttausend Stück produzieren.» Die Hoffnung liegt laut Mosset jetzt darauf, dass ETA bis zu einem gewissen Zeithorizont weiter mechanische Uhrwerke liefert. Was für kleinere Unternehmen nämlich nicht in Frage kommt, ist das eigenhändige Herstellen von mechanischen Werken. Dafür braucht es langjähriges Know-how.
All diese Sorgen hat Oris nicht. Die Firma stellt ihre Uhrwerke in Hölstein selber her. «Der Entscheid der Weko hat keine grossen Auswirkungen auf Oris, da wir praktisch keine Uhrwerke von ETA beziehen», sagt Mit-Geschäftsführer Rolf Studer.
Gerade noch ein Dutzend Mitarbeiter hatte die Hölsteiner Uhrenfirma Oris im Jahre 1980. Zehn Jahre zuvor hatten noch 800 Angestellte 1,2 Millionen Uhren pro Jahr hergestellt, Oris gehörte zu den zehn grössten Uhrenherstellern weltweit. Doch dann schlug die Quarzwelle aus Japan voll ein, und mit eigenen Quarzuhren hatten die Baselbieter keinen Erfolg. Das Unternehmen war pleite. Der Geschäftsführer und der Marketing-Chef übernahmen die kümmerlichen Reste und fällten den Entscheid, nur noch mechanische Uhren herzustellen, im mittleren Preisbereich. Damit kam der Erfolg zurück. Heute beschäftigt das Unternehmen 140 Angestellte weltweit, wovon 60 in Hölstein. Mittlerweile greift Oris auf sein eigenes Design der 60er- und 70er Jahre zurück.