Donnerstag , 18 April 2024
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Oliver R. Müller, Inhaber von Luxeconsult Sarl, hat gut lachen

Krisenbewältigung: «Only the fittest will survive»

Die letzten Jahre erlebte die Uhrenindustrie eine Stagnation und Selbstgefälligkeit, eine Verzettelung der kreativen Energie, eine erschlaffende Willenskraft, die sich mit blossem Durchwursteln begnügte, das war deutlich zu wenig für einen Neuanfang. Wie kann sich die Uhrenbranche trotzdem neu erfinden? «Die Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen», meinte schon der Schweizer Schriftsteller Max Frisch. Im Gespräch mit Oliver R. Müller, einer der wenigen, der weiss wie die Branche tickt.

Sie kennen die Uhren Branche wie kein anderer, warum und woran krankt die Branche generell?

Unsere Uhren Branche krankt generell, weil sie zu bequem leben konnte. Aber sie ist auch sehr polarisiert, d.h. es gibt ein paar wenige, die Ihren Job toll machen und viele, die nur überleben. Im unteren Preissegment haben wir es sträflich unterlassen uns den smartwatches entgegen zu stellen. Es kann nicht sein, dass eine ganze Industrie nur vom Luxus Segment leben kann. Es braucht Volumen, um den Produktionsapparat rentabel zu benützen.

Im Prinzip sind alle Probleme hausgemacht, das heisst in diesem Fall nicht Lust auf Luxus, sondern Frust auf Konsum, Trägheit, Wiederholung und Sterilität …..

Ich würde nicht alle Marken pauschal mit diesen Vorwürfen konfrontieren. Es gibt auch positive Initiativen und Marken, die Kreativität grossschreiben wie z. Bsp. HYT (Das Family Office von Ex-Nestle CEO Peter Brabeck-Lethmathe investierte bisher hunderte von Millionen), das sind Leute die

wirklich eine neue Art der Uhrmacherei erfunden haben. Aber viele Marken haben den Bezug mit den jungen Generationen total verloren, denn die Generationen Y/millennials und Z haben andere Erwartungen an eine Marke als meine Generation. Sie wollen nicht nur ein nettes «Storytelling» hören, sondern auch ein «story proving» wo die Marke beweist, dass sie ihre Werte auch lebt.

Anstatt an die Zukunft zu denken, ruht sich die Branche seit Jahren auf verdorrten Lorbeeren aus, würden Sie diesem Statement zustimmen?

Mit wenigen Ausnahmen kann ich dieser Aussage zustimmen und ich würde sogar so weit gehen, dass wir mehr neue unkonventionelle Initiativen brauchen wie anno dazumal die Swatch. Man muss weiterdenken als auf von einem Trend – zu Beispiel momentan das Vintage – auf den anderen zu surfen.

Aber ich will auch sagen, dass es natürlich einen starken Impuls braucht, um Leute aus ihrer Komfort Zone zu locken. Wer will schon ein Risiko eingehen, wenn er ein bequemes Leben hat und ein Haufen Geld verdient? Vielleicht wird die Covid19 Krise die ganze Branche durchrütteln und uns motivieren endlich eine neue Vision für die Industrie zu entwickeln.

Hat die Branche zu sehr an Influencer geglaubt, die der Uhrenbranche nicht viel gebracht haben ..

Die gesamte Luxus Industrie hat sich von der Mär von den Influencern einschläfern lassen. Wie kann es sein, dass ein 25-jähriger, der nota bene nie in der Industrie gearbeitet zu einer Marke hingeht, die seit 150 Jahren existiert und sagt wie ihre nächste Uhr auszusehen hat. Dieser junge Mann sollte man sehr wohl in ein Projekt involvieren wo er Teil eines Panels wird, aber nicht die Schlüssel der Manufaktur überlassen. Einem 10-jährigen würde man ja auch nicht die Schlüssel der Schoggi Fabrik einfach in die Hand drücken !

Ich habe gesehen wie Blogger von einer one-man show, wo sie höflich gefragt haben ob sie eine Uhr photographieren dürfen, zu Stars aufgestiegen sind, die den Marken erzählen was sie zu tun haben. Um ein Beispiel aus einer anderer Branche zu benützen: als bei Swissair die Berater die Hände auf dem Steuerrad hatten, hat die ganze Geschichte schlecht geendet….

Inwiefern wird sich die Corona-Krise auf die Uhrenbranche auswirken?

Sie wirkt sich natürlich schon massiv auf die Zahlen des ersten Quartals auch wenn es die offiziellen Statistiken noch nicht deutlich machen. Man kann sagen, dass der sell-out (die Abverkäufe an Endkunden) in China nach der 2. Februar Woche ziemlich brutal gestoppt wurden. Man sieht aber seit der 2. Woche März, dass die Aktivität in China wieder zugenommen hat. Dafür werden die Abverkäufe in den USA und woanders stark leiden. Kurzgefasst, ein 1. Quartal, das für gewisse Marke bei – 70% liegen wird; ein 1. Semester, das im Schnitt wahrscheinlich bei – 50% enden wird. Und die Hoffnung, dass 2020 mit «nur» – 20-25% enden wird.

Ich wünsche mir, dass man aus dieser Katastrophe – menschlich und wirtschaftlich – etwas positives macht und gewisse schlechte Gewohnheiten ablegt und wie Sie sagten «die verdorrten Lorbeeren» entsorgt.

Fortsetzung in der TOURBILLON Print-Ausgabe #61.

About Karl Heinz Nuber

Nuber ist langjähriger unabhängiger Uhren Journalist und begann seine Karriere in den frühen 80er Jahren. Durch das Sammeln kam er zum Schreiben. Er ist Gründer des vierteljährlich regelmässig bilingual – Deutsch und English - erscheinenden TOURBILLON Magazin’s, der digitalen TOURBILLON Plattform TICK-Talk, der Ausstellungs- und Event Plattform Art of TOURBILLON und TOURBILLON TV. Er tritt regelmässig als Kenner der Branche in Erscheinung.

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