Samstag , 27 April 2024
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Favre-Leuba: Ungewisse Zukunft?

Die indische Riesenkonzern Tata hat bei der im Jahre 2011 erworbenen Schweizer Traditions-Uhrenmarke Favre-Leuba nach Investitionen von 37 Millionen Schweizer Franken den “Stecker” gezogen. Missmanagement und Selbstüberschätzung waren die Ursachen. Thomas Morf hatte ein kurzes Gastspiel als externer Berater bei der Marke. Der heutige Chef Philippe Roten will die 284-jährige Marke in Form eines “MBO Management-Buy-out’s” übernehmen. Das war 2021, wie ist die heutige Situation bei Favre Leuba?

Philippe Roten, der CEO von Favre-Leuba, hätte sich zwar einen Einstand ohne Corona-Epidemie gewünscht, doch gibt sich der Schweizer Uhrenexperte bereits für die nahe Zukunft optimistisch: «Das chinesische Wort für Krise setzt sich aus zwei Schriftzeichen zusammen. Das Eine bedeutet Gefahr und das Andere Gelegenheit.»

Die Marke Favre Leuba kennt natürlich jeder, logisch, ist sie doch die zeitälteste Uhrenmarke der Schweiz. Eingetragen von Abraham Favre im Jahr 1737. Demnach ist nur Blancpain etwas älter (1735).  
Die Modelle von Favre Leuba kennt natürlich auch jeder. Sea Chief, Sea King und Sea Raider. 1963 dann die Deep Blue. 1968 die Bathy (die weltweit erste mechanische Uhr, die auch die Tauchtiefe anzeigt). 
 
Und dann? Ja, dann kam die „Quarzkrise“. Wie viele andere Schweizer Marken hatte man die Entwicklung verschlafen und geriet in erhebliche Schwierigkeiten. Die Marke musste verkauft werden (80ziger Jahre) und wechselte dann noch einige Male den Besitzer. Sehr bitter für ein Familienunternehmen in 8. Generation. 

Dann naht die Rettung in Form des indischen Grosskonzerns „Tata“ (Titan Group, Jahresumsatz 100 Milliarden USD, 650.000 Mitarbeiter). Diese übernehmen 2011 die Traditionsmarke und versprechen, mit genügend Kapital im Rücken, den Neustart der Firma.

Dies fing ganz gut an: 
2016 wurde die Raider Harpoon lanciert. 
2017 kam die Bivouac 9000 auf den Markt (mit integriertem Höhenmesser, bis 9000m!). 
 
Von der Fachpresse gefeiert, vom Konsumenten ignoriert? 
 
Wie weiter? 
Im Frühjahr 2020 entscheidet die Titan-Group am Vierjahres-Business-Plan festzuhalten und 21 Millionen CHF bis Ende 2022 zu investieren. 
Im März 2020 wird Phillipe Roten CEO und übernimmt das Amt von Vijesh Rajan (der Leiter der Schmuckabteilung innerhalb von Titan wird). 
Im November 2020 wird bekannt, dass der Investor Tata den Geldhahn abdreht. 
Das Schicksal der Marke scheint beschlossen. 
 
Der derzeitige CEO Philippe Roten äussert allerdings das die Firma „too young to die“ wäre und befindet sich nun (seit Juli 2021) in Verhandlungen mit Tata um Favre Leuba (mit einigen Investoren) zu übernehmen. 
 
Das Tata nicht mehr will, liegt daran, dass sie gut 37 Millionen Franken investiert haben und dennoch einen Verlust von rund 7 Millionen Franken entstanden ist. Dies bei einem Umsatz (2020) von nur 870.000 Franken – bei einem Werbebudget von 4,5 Millionen (!). Da kann dann auch mal ein Mega-Konzern die Lust verlieren. 
 
Nur zum Vergleich: Die o.g. Blancpain machte 2020 einen ca. Umsatz von 270 Millionen. 

FAVRE, LEUBA UND TATA 

Abraham Favre aus Le Locle erlernte im frühen 18. Jahrhundert das Handwerk und wurde 1737 erstmals urkundlich als «Uhrmacher » erwähnt. Sein Sohn, ebenfalls Abraham genannt, arbeitete mit dem Chronometermacher Houriet zusammen und philosophierte mit Rousseau über das Zeitalter der Revolution. 

Fritz Favre heiratete 1855 die Tochter eines Uhrenhändlers, Adèle-Fanny Leuba, und führte die beiden erfolgreichen Unternehmungen zusammen. Im 19. Jahrhundert bereisten sie die damals bekannte Welt von Sankt Petersburg bis Santiago und von Boston bis Bombay und verkauften Favre-Leuba- Uhren. Bis in die achte Generation blieb die Uhrenmarke in der Hand der Familie, dann führte die «Quarzkrise» zum Verkauf und in den 1990er Jahren schließlich zum – vorübergehenden – Ende der Aktivitäten. Die Tatsache, dass Favre-Leuba nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem mit modernen, technisch innovativen Armbanduhren auf dem Weltmarkt präsent gewesen war, hatte die Erinnerung an die Marke wachgehalten – nicht zuletzt in Indien, wo Dr. Henry A. Favre die von seinem Vater Fritz gegründete Niederlassung in Mumbai – damals Bombay – zu neuer Größe ausgebaut hatte. Auf dem Subkontinent genoss Favre-Leuba auch nach der Jahrtausendwende noch einen guten Ruf, und vielleicht engagierte sich bei der Wiederbelebung der Schweizer Marke deshalb der große indische Mischkonzern Tata in der Finanzierung der Zukunftsprojekte. Am 16. November 2011 übernahm die Tata-Gruppe die Traditionsmarke und verlegte den Firmensitz von Favre-Leuba nach Zug (CH). 

About Karl Heinz Nuber

Nuber ist langjähriger unabhängiger Uhren Journalist und begann seine Karriere in den frühen 80er Jahren. Durch das Sammeln kam er zum Schreiben. Er ist Gründer des vierteljährlich regelmässig bilingual – Deutsch und English - erscheinenden TOURBILLON Magazin’s, der digitalen TOURBILLON Plattform TICK-Talk, der Ausstellungs- und Event Plattform Art of TOURBILLON und TOURBILLON TV. Er tritt regelmässig als Kenner der Branche in Erscheinung.

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