Putins brutaler und offenkundig von langer Hand geplanter Angriffskrieg auf die Ukraine ist ein eiskalt kalkulierter, historischer Tabubruch mitten in Europa. Das russische Regime attackiert damit ohne Rücksicht auf die humanitären und politischen Folgen das gemeinsame Werte- und Sicherheitsgerüst, das seit 1945 in Europa eine der längsten Phasen von Frieden und Wohlstand in seiner Geschichte begründete.
Mit absurden Argumenten, bizarren historischen Analogien und wüsten Drohungen zerstört es in zynischer Weise das Grundvertrauen in die Rationalität politischen und staatlichen Handelns in Europa. In dieser blutigen Tragödie muss Europas ganze Solidarität in Wort und Tat der Ukraine und ihren Bürger:innen gelten – dies muss sich nun erst recht in schneller und unbürokratischer Hilfe und Unterstützung bei der sich anbahnenden humanitären Katastrophe zeigen. Europa, der Westen und allen voran in unrühmlicher Weise Deutschland haben das Ausmaß der Bedrohung über Jahre bewusst verdrängt – auch aus wirtschafts- und energiepolitischer Bequemlichkeit und Opportunität, und gegen die unüberhörbar warnenden Stimmen einiger unserer EU-Partner- und Nachbarländer. Nun sind die Herausforderungen und Kosten für eine strategische Neuausrichtung auf allen Ebenen enorm. Doch der heutige Tag hat gezeigt, dass kein Weg daran vorbeiführt. Jetzt müssen alle verfügbaren Sanktionsmaßnahmen ergriffen werden, die auch tatsächlich Wirkung zeigen können, und sie müssen vor allem von Allen konsequent und notfalls über Jahre durchgehalten werden. Das wird seinen Preis für uns alle haben, doch seien wir uns stets bewusst: Den höchsten Preis zahlen seit heute morgen die Ukrainer:innen.
Wir erklären unsere volle Solidarität mit der Ukraine. Wir stehen an der Seite unserer ukrainischen Partner:innen und Kolleg:innen und zugleich auch an der Seite unserer von harter Repression bedrängten Partner:innen in der russischen Zivilgesellschaft.
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Solidarität light: Am Samstagabend wird das Opernhaus in Zürich mit den ukrainischen Nationalfarben beleuchtet. Weltweit leuchten Gebäude in Blau-Gelb, um für die Ukraine ein Zeichen zu setzen. Wenns jedoch ums Geld geht, ist Schluss mit der Solidärität der Schweiz.
Die Schweiz kneift wiederum bei der Einforderung der EU-Sanktionen gegen Russlands Elite. Sie versteckt sich wie immer hinter der Neutralität. Die Schweiz ist für wohlhabende Russen seit Jahren weltweit mit Abstand die wichtigste Destination für die Verwaltung ihrer Vermögen. Und dann ist da natürlich noch der Rohstoffhandel, in dem die Schweiz eine prominente Drehscheiben-Rolle einnimmt: Ungefähr 80 Prozent des russischen Rohstoffhandels erfolgt über die Schweizer Finanzdienstleistungszentren Genf, Zug, Lugano und Zürich. Das Land ist eine wichtige Anlaufstelle für Banken, Investoren und Superreiche aus Russland. Jetzt, im Krieg, will die Schweiz die EU-Sanktionen nicht komplett übernehmen. Das ist skandalös.
Die Schweiz ist kein kleiner, unwichtiger Akteur in diesem Konflikt. Sie nimmt viel mehr eine Schlüsselposition ein, insbesondere bei der russischen Elite, die die Alpenrepublik auch bei wichtigen medizinischen Eingriffen ansteuert oder gern ihre exklusiven Ferien in Genf, Graubünden oder im Berner Oberland verbringt. Die Eidgenossenschaft hat also einige Hebel in der Hand, mit denen sie die russischen Machthaber empfindlich treffen kann. Und: Sie hat den russischen Völkerrechtsbruch, den Angriff auf die Ukraine, klar benannt und verurteilt.
Das heißt unter anderem, dass die Schweiz im Gegensatz zu ihren Nachbarstaaten darauf verzichtet, russische Vermögen einzufrieren – zumindest vorerst – hoffe ich wirklich.
up-date 28.02.22
- Die Schweiz übernimmt die EU-Sanktionen gegen Russland.
- Auch die Finanzsanktionen gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin, gegen Premierminister Michail Mischustin und Aussenminister Sergei Lawrow würden mit sofortiger Wirkung vollzogen.
- Den in diesem Umfang einmaligen Schritt der Schweiz habe der Bundesrat nicht leichtfertig treffen dürfen. Es sei ein schwieriger Punkt, räumte Bundesrat Cassis ein. Aber «dies zu tun, war unsere Pflicht».
- Der Bundesrat hat zudem Einreiseverbote gegen mehrere Personen beschlossen, die einen Bezug zur Schweiz haben und dem russischen Staatspräsidenten nahestehen.
- Ausserdem wird – im Einklang mit den Luftraumsperrungen in anderen europäischen Ländern – der schweizerische Luftraum ab Montag 15.00 Uhr für alle Flüge aus Russland und für alle Flugbewegungen von Luftfahrzeugen mit russischer Kennzeichnung gesperrt.
- Der Bundesrat bekräftigt die Bereitschaft der Schweiz, durch ihre Guten Dienste aktiv zu einer Lösung des Konfliktes beizutragen.
- Der beispiellose militärische Angriff Russlands auf ein souveränes europäisches Land hat im Bundesrat den Ausschlag gegeben, die bisherige Sanktionspraxis zu ändern.
- Mit dem heutigen Schritt sei die unberührbare Neutralität der Schweiz nicht tangiert, sagt Cassis. Die Landesregierung stützt sich bei dieser Einschätzung auf eine Auslegung der Direktion für Völkerrecht.
- «Einem Aggressor in die Hände zu spielen, ist nicht neutral», sagte Cassis.