Nick Hayek kündigte an, dass aufgrund des unerwarteten Hypes der Kollektion Bioceramic MoonSwatch weitere Kooperationen auch mit anderen Marken der Swatch Group geprüft werden. In der BILANZ, der “Annabelle für Prokuristen”, weicht der Swatch-Group-Chef und Berufs-Provokateur der Frage über einen möglichen follow up diskret aus, ich zitiere “Lassen Sie sich überraschen”!
Meine Begeisterung für die im März 2022 angekündigte MoonSwatch war wirklich groß. So groß, dass ich direkt einen Artikel zu dieser überraschenden Zusammenarbeit von Omega und Swatch schrieb – und die beiden Uhrenmarken sogar ausnahmsweise mal lobte. Davon muss ich nun (mindestens) die Hälfte zurücknehmen oder relativieren.
MoonSwatch: Nur ein Marketing-Vehikel mit hohem Enttäuschungsfaktor?
Denn so wie es aussieht, ist diese Uhr nicht für die in den letzten Jahren stark gewachsene Uhren-Community oder eine möglichst große Anzahl an Kunden mit kleinem Portemonnaie gedacht, sondern ein – mit Verlaub – recht billiges Marketing-Vehikel mit hohem Enttäuschungsfaktor für sehr viele Menschen. Zumindest bis zum jetzigen Zeitpunkt. Und wer nicht weiß, wovon ich spreche: Die MoonSwatch ist – Monate nach dem Release – immer noch nicht in ausreichender Menge, sondern nur in grotesk kleinen in den Swatch-Läden verfügbar. Und auch nur ab und zu. Und dann auch nicht jedes Modell. Nur eine kleine, zufällige (?) Auswahl. Und falls ein Kunde zwei oder drei dieser vermeintlich nicht limitierten Omega x Swatch Speedmaster kaufen möchte, bekommt er… Na, ratet mal … ein klares NEIN!
Spekulationsobjekt wider Willen
Der offizielle Ausgabepreis für eine MoonSwatch liegt bei 250 EUR. Swatch bot die Uhren bei ihrer Premiere zunächst jedoch ausschließlich in ausgewählten Swatch-Boutiquen an. Die Kollektion beinhaltet 11 unterschiedliche Exemplare.
Die Moonswatch im Design der Omega Speedmaster wurde über Nacht zu einer der begehrtesten Uhren der Welt. Schnell fanden Spekulanten Gefallen an dem Chronographen aus Biokeramik – die Auswirkungen bekam auch der internationale Marktplatz für Luxusuhren Chrono24 zu spüren: “In wenigen Tagen erfuhr die Moonswatch eine Hausse wie an der Börse. Mehr als 100 dieser Uhren wurden in den ersten Wochen nach dem Launch über Chrono24 verkauft, zu einem Durchschnittspreis von 1.100 Euro. Das teuerste Exemplar wurde für 2.750 Euro erworben – das Elffache des Ausgabepreises von 250 Euro für eine nicht limitierte Uhr!”, sagt Tim Stracke, co-CEO von Chrono24.
Nicht limitiert: Die alternativen „Wahrheiten“ der Swatch Group.
Wer das allen Ernstes als nicht limitiert bezeichnet, hat wohl ein kleines Wahrheitsproblem bzw. ist möglicherweise ein Nachfahre des Lügenbarons Münchhausen. Für die Jüngeren: Das ist der Godfather of alternative Wahrheiten aka Trump sein Großvater. Und allem Anschein nach geschieht diese „Nicht-limitierte“-Limitierung sehr bewußt, gezielt und gesteuert. Und nun der berühmte Tropfen, der das Fass, zumindest für mich, zum Überlaufen brachte: Es wird die MoonSwatch nicht online zu kaufen geben.
Eine weitere Form der (nachträglichen) Limitierung.
Denn ursprünglich ist jeder davon ausgegangen, dass die Plastik-Speedmaster online verfügbar sein wird. Swatch hat dies wohl sogar selbst so kommuniziert und Uhrenfans im Glauben gelassen, dass diese günstige Speedmaster eines Tages online erhältlich sein wird. Monatelang keine klare Absage in Sachen Online-Verfügbarkeit. Besonders gut informierte Uhrenblogger-Kollegen kolportierten sogar ein konkretes Datum. Woher auch immer das kam. Wurden dann aber auch ge-und enttäuscht. Wie so viele.
Das Ganze führt mich zu folgendem Schluss: Die MoonSwatch war und ist ein Trojanisches Pferd
Und die gesamte Uhren-Community ist – zuvorderst die Handelszeitung mit dem ewigen stv. ChR Marcel Speiser sowie die Bilanz mit der freien Autorin Iris Kuhn-Spogat – darauf an- und aufgesprungen. Hat gewissermaßen ihre Pforten geöffnet und den Trojaner – mehr oder wenig freudig – in ihre Kreise aufgenommen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob man „pro“ oder „contra“ MoonSwatch war. Jeder, der sich öffentlich zu dieser Uhr bzw. in den sozialen Medien geäußert hat, war de facto davon „getriggert“ und ein Multiplikator. Ob man sich nun begeistert oder abfällig zu ihr geäußert hat. Die News war ja auch ein „Knaller“. Und diese vielen Stimmen haben in Summe für enorme Reichweiten und Aufmerksamkeit weltweit gesorgt. Für die Swatch und Omega übrigens nicht einmal viel Marketing-Geld in die Hand nehmen mussten. Wir alle haben das Thema ja ordentlich gepusht. Und ja, ich schließe mich da als Horological writer, Uhren-Sammler und -Liebhaber mit ein. So viel Selbstreflektion muss sein.
Kommen wir aber nun zum wesentlichen Punkt:
Das Ganze ist für mich kein mutiger Produkt-Stunt (mehr), sondern eher – und mal wieder – eine dreiste Mogelpackung von Omega und der Swatch Group. Die wohl doch nicht so viel Respekt und Anerkennung verdient, wie ich im März 2022 noch dachte.
Am schlimmsten sind aber die selbstgefälligen Statements und Interviews, die man aktuell im Netz dazu findet. Man hätte es vielleicht besser lassen sollen…
Auf die Frage, warum es die günstigste Speedmaster nicht online geben wird, heißt es in einem Interview mit CEO Nick Hayek: “There’s no emotion in online buying. It’s a carefully produced Swiss Made watch and not a commodity. After the whole world had to stay at home for two years because of COVID, it was about time to celebrate and to bring the people back on the streets, meet together, and revive the brick-and-mortar stores.” (Quelle: Fratello Watches)
Habt Ihr bei diesem Statement auch die Emotion, dass an der einen oder anderen Stelle etwas nicht ganz stimmt? Vor allem, wenn es um die geschundene Offline-Shopping-Bevölkerung in der Post-Covid-Zeit geht? Oder geht es nur mir so?
Und ist es nicht schön, wie Herr Hayek den potentiellen Kunden fast schon diktiert, wann sie Emotionen bei einem Kauf empfinden können – und wann nicht?
SUMMARY_What´s next: Omega x Swatch Seamaster 007 – mit der Lizenz zum Melken? Und falls Ihr Euch fragt, was als nächstes kommt: Einige vermuten ja bereits, dass es eine Plastik-Seamaster oder SeaSwatchmaster (oder wie auch immer) sein wird. Natürlich in Verbindung mit der James Bond und 007-Lizenz. Der anderen Cash-Cow von Omega bzw. der Swatch Group, die man sicherlich auch noch ordentlich zu melken gedenkt. Allerdings dürfte diese Überraschung dann nicht mehr ganz so groß und genial anmuten. Begeisterung ist nun mal auch limitiert.