Donnerstag , 2 Mai 2024
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Der “magische” Espresso Moment

Er betört die Sinne, bringt Menschen zusammen und steht für einen ganz eigenen Lifestyle: Espresso ist so viel mehr als einfach nur ein Getränk. Wie Sie den optimalen Espresso zubereiten, um den perfekten Espresso-Moment zu geniessen, erfahren Sie von Florian Glaser. Florian Glaser ist Inhaber der Kaffeewerkstadt in Zürich und weiss wovon er spricht!

Florian Glaser von der KAFFEEWERKSTADT in Zürich

Sie haben Ihr Fachgeschäft vor sechs Jahren an der Bremgartnerstrasse 66, 8003 Zürich, eröffnet. Warum einen Laden eröffnen, wenn alle einen Online Shop eröffnen?

Der persönliche Kontakt zu den Kunden war mir wichtig. Nur im Gespräch kann ich herausfinden was die perfekte Maschine für den Kunden ist. Ausserdem macht mir der persönliche Kontakt einfach mehr Spass als übers Internet Waren zu verkaufen.

Ausserdem bin ich der Überzeugung, dass man eine Siebträgermaschine besser in einem Fachgeschäft kauft. Hat man Fragen oder es treten Probleme auf, kann man sich an einen kompetenten Partner mit Werkstatt wenden.

Sie haben den Lock-down gut überstanden, was war Ihr Geheimnis?

Eine gute Mischung aus Online-und Offline Auftritt. Wir hatten von Anfang an einen Online-Shop, Priorität hatte jedoch aus den vorgenannten Gründen immer das Fachgeschäft, während des Lock-Downs brummte unser Online Geschäft mit Zubehör und Kaffee. Wir hatten damit einen Plan B. Selbstverständlich hat das online Business noch viel Potential, wir denken über eine Optimierung nach.

Sie waren seit längerer Zeit wieder auf Reise, haben Sie Ihren perfekten Espresso entdeckt?

Wir konnten immer wiedermal sehr guten Espresso geniessen. Sei es in Restaurants wie auch unterwegs mit unserer Aram (Anmerkung der Redaktion: Handgemachter Espresso mit der aus Brasilien handgefertigten Aram in Siebträgerqualität. Perfekt für jede Reise oder für Espressi Liebhaber die keinen Halbautomaten möchten.)

Der perfekte Espresso ist ja eher eine Momentaufnahme der eigenen Stimmung und hat nicht nur mit der Zubereitungsqualität zu tun. Insofern hatten wir prächtigen Espresso und konnten unsere Reise sehr geniessen.

Dazu ein Beispiel: Kunden erzählen uns oft, dass sobald sie die Schweizer Grenze nach Italien überqueren sie auf der Autobahnraststätte rausfahren um einen guten Espresso zu geniessen. Ich bin mir sicher, dass dort auch immer die Urlaubsstimmung mitschwingt und deshalb der Espresso so gut schmeckt.

Deshalb ist für mich der perfekte Espresso eine Mischung aus eigener Stimmung, Atmosphäre und guter Zubereitung.

Herr Glaser, wie sind Sie eigentlich zum Kaffee gekommen?

Mein Vater hatte bereits ein Kaffeemaschinengeschäft in Basel und so wurde mir quasi bereits als Kind die Faszination für guten Kaffee mit auf den Weg gegeben. Nach 30 wuchs bei mir der Wunsch zur Selbständigkeit und da ich mich auch im Privaten stark mit dem Thema Kaffee auseinandergesetzt hatte war es der logische nächste Schritt ein Ladenlokal für guten Kaffee in Zürich aufzubauen. Mein Vater hat mich dabei tatkräftig und mit seinem ganzen Kaffee Know How unterstützt. So konnte ich meine Leidenschaft für Kaffee und meinen Beruf miteinander verbinden.

Mit Ihrer Jugendlichkeit wirken Sie frisch auf mich und sind schon eine Institution, wenn es um’s Thema Espresso geht?

Vielen Dank für das Kompliment. Ein junges Geschäft hält einem auf Trab und das Koffein hält einem wach. Nein im Ernst, eine Institution sind wir sicher noch nicht. Wir sind erst knapp 6 Jahre alt und uns stetig am Weiterentwickeln. Sei dies organisatorisch oder bezüglich Kaffee-Wissen. Einmal im Monat treffen wir uns (Angestellten) um ein bestimmtes Thema zu beleuchten. Dies kann sein, verschiedene Kaffeesorten zu degustieren, Mühlen zu testen oder selber Kaffee zu rösten.

Das Instituto Nazionale Espresso Italiano legte fest, dass für einen perfekten Espresso 20 bis 30 ml Wasser bei einer Temperatur von 86 – 90°C unter einem Druck von 8 bis 10 bar in 20 bis 30 Sekunden durch 6,5 bis 7,5 Gramm fein gemahlene Espresso Bohnen gedrückt werden. Was sagen Sie dazu?

Spannend. Unsere Definition ist sehr ähnlich: Wir arbeiten mit einer etwas heissseren Temperatur (90 – 95C) und mit mehr Kaffeepulver (10 – 13g). Ich glaube jedoch, dass eine Definition sowieso nicht in Stein gemeisselt ist sondern einem stetigen Anpassungsprozess unterliegt. Heute werden grüne, ungeröstete Kaffeebohnen anders verarbeitet als noch vor 20 Jahren. Dies hat zur Folge, dass Espresso plötzlich Noten von Erdbeeren oder Rhabarber aufweisen können. Diese jedoch stärker mit einer höheren Wassertemperatur zur Geltung kommen.

Was halten Sie von Preinfusion, Preinfusion soll abhängig  vom Kaffee auf schonende Weise noch mehr Aromen herausholen?

Preinfusion meint dass das Kaffeepulver für ein paar Sekunden befeuchtet wird, bevor die Pumpe das Wasser mit Druck durch das Kaffeemehl hindurchdrückt. Meine Erfahrung ist, dass Preinfusion gerade bei hellen Röstungen ein noch etwas feineres Ergebnis liefert, jedoch sind wir da bereits voll in den Nuancen und man benötigt eine feine Nase.

Mit einem bodenlosen Siebträger kann man kontrollieren, ob der Mahlgrad stimmt, ob korrekt getampet wurde, was ist da Ihre Erfahrung?

Bodenloser Siebträger im Einsatz, die hohe Kunst des Espresso machen

Also ein bodenloser Siebträger ist ein Highlight. Zuerst einmal sieht es einfach unglaublich eindrücklich aus wenn der Kaffee als Traube aus dem Siebträger in die Tasse fliesst. Hinzu kommt, dass man vor allem das Andrücken des Kaffees überprüfen kann. Kommt es ungleichmässig raus, hat man vermutlich schräg getampert oder den Mahlgrad bei der Mühle falsch gewählt.

Für den perfekten Espresso benötigt man eine professionelle Mühle und eine professionelle Siebträger-Maschine. Was würden Sie einem Einsteiger empfehlen?

Genau, mit einer guten Mühle und einer Siebträgermaschine lässt sich perfekten Espresso zubereiten. Erstaunlicher Weise ist aber die Mühle mindestens so wichtig wie die Maschine. Denn der Mahlgrad entscheidet wie schnell das Wasser bei der Maschine durchgedrückt wird. Läuft das Wasser zu schnell durch, ist der Kaffee wässrig und sauer, läuft es zu langsam durch wird der Espresso bitter. Es gilt also der richtige Mahlgrad zu finden.

Insofern rate ich einem Einsteiger seinen Fokus auf die Mühle zu legen und auch dort zu investieren.

Auf was muss man aus Ihrer Sicht beim Kauf einer Kaffeemühle achten?

Stufenlose Einstellung des Mahlgrads bei der Kaffeemühle von ECM

Der wichtigste Punkt ist in meinen Augen wie fein der Mahlgrad eingestellt und verändert werden kann. Wenn der Mahlgrad nicht fein genug eingestellt werden kann, fliesst das heisse Wasser zu schnell durch das Kaffeemehl und der Espresso schmeckt nicht.
Wechselt man die Kaffeesorten muss der Mahlgrad wieder neu justiert werden. Das heisst, ich möchte den Mahlgrad sehr fein verändern können um wieder den perfekten Espresso extrahieren zu können.

Ich rate deshalb zu einer Mühle bei der der Mahlgrad stufenlos und sehr fein eingestellt werden kann. Optional sind Mengenprogrammierungen.

Kommen wir zum Geld, welches Budget sollte ein Espresso Einsteiger zur Verfügung haben?

Ein Set mit Siebträgermaschine, Mühle und Zubehör (Milchkanne, Abklopfbehälter etc.) startet bei uns bei ca. CHF 2000.-.

Das Einsteiger-Modell: ECM Mechanika V Slim, Funktional und platzsparend für den Haushalt oder die Bar

Mit dabei ist eine Instruktion von ca. 2 Stunden. Dabei zeigen wir dir wie du Espresso machst, die Milch aufschäumst, die Mühle einstellst und die Siebträgermaschine reinigst und wartest. So bist du sehr gut gerüstet für die ersten Schritte in der Welt der Siebträgermaschinen.

Das Angebot an Siebträger-Maschinen ist vielfältig, es gibt Einkreis-/ Zweikreis-System und es gibt Dualboiler, und es gibt eine Menge an Hersteller und Marken, welches ist die Richtige für mich?

Am besten macht man mit uns einen Termin ab für eine Beratung. Da können wir sehr gut auf die verschiedenen Systeme eingehen. Grundsätzlich sollte man sich die Frage stellen wie wichtig einem die Cappuccino Zubereitung ist. Trinkt man hauptsächlich Espresso reicht ein Einkreissystem. Sobald man gerne Cappuccino hat braucht man zusätzlich Dampf. Dann würde ich zu einem Zweikreissystem oder zu einem Dualboiler raten. Die Entscheidung zwischen diesen beiden Systemen hängt davon ab wie tief man sich mit der Thematik Kaffee befassen möchte. Bei einem Dualboiler System kann man Einfluss auf die Brühtemperatur nehmen und so noch genauer auf die Eigenschaften des Kaffees und der Röstung eingehen.

Bezüglich den Herstellern rate ich, die Produkte anzufassen und den Händler detailliert über die Unterschiede auszufragen. Die Unterschiede liegen oft im Detail. So können z.B. scharfe Kanten vorhanden sein, die Abtropfschale zu knapp bemessen oder der Boiler bei einen Modell isoliert sein.

Und zum Kaffee, Herkunft Bohnen und Röstung, was sagt der Fachmann dazu?

Hier wird es erst richtig spannend. Die Vielfalt und die Komplexität der Kaffeebohnen kennen fast keine Grenzen. Als Anfänger würde ich empfehlen heraus zu finden ob einem eher die Fruchtnoten der Kaffeeart Arabica oder die herben Noten eines Robusta liegen. Dann würde ich mit einer eher dunklen, schokoladigen, nussigen Röstung starten und mich später an die hellen Röstungen mit mehr Fruchtnoten und Säure wagen. Spannend sind auch Besuche bei den Röstern. In der Schweiz gibt es über 100 Röster und die geben gerne Auskunft über den Röstprozess und die Unterschiede ihrer Sorten.

Wirkt sich die globale Situation auf den weltweiten Kaffeemarkt aus?

Warum steigt der Kaffee Preis so stark?

Die Kaffeebranche hat volle Lager, es gibt keine Lieferengpässe. Wir merken auch keine zeitlichen Lieferengpässe, es funktioniert der Markt einwandfrei. Einziger Schönheitsfehler, die Preise sind am Anziehen an der Kaffeebörse.

In Ihrem Fachgeschäft an der Bremgartnerstrasse 66 ist in der Zwischenzeit seit ich das letzte Mal bei Ihnen war, viel passiert. Sie haben ihr Fachgeschäft im Laufe der Zeit flächenmässig erweitert und platzen aus allen Nähten, wohin geht die Reise bitte?

Es ist richtig, wir haben momentan an der Bremgartnerstrasse 66 alles zentralisiert. Ladenlokal, Showroom, Verkauf und Werkstatt für die Siebträger Kaffeemaschinen Marken. Deshalb werden wir mit einem neuen Konzept expandieren.

Zum bisher bekannten Sortiment werden eine Individualisierung (z.B.: Farbe, Holzarmaturen nach Wahl) von Siebträgermaschinen anbieten. Somit erhält der potentielle Kunde ein Unikat von uns, das er sonst nirgends erhält. Zudem werden wir eine eigene Zubehör Linie lancieren, der Dosing Cup (Anmerkung der Redaktion: Entwickelt, um den schnellen und einfachen Transfer von Kaffee zwischen Mühle und Siebträger zu ermöglichen.) ist unser erstes Produkt. Als nächstes planen wir Produkte welche die Espressozubereitung einfacher und sauberer machen. Immer wieder hören wir das Argument, dass man mit einer Siebträgermaschine mehr putzen muss in der Küche. Wir denken, dass dies jetzt schon nur bedingt stimmt, glauben aber, dass man es doch noch verbessern kann.
Zusätzlich zu unserem Ladenlokal haben wir an der Gerhardstrasse 1, unweit des Bahnhofs Wiedikon, 10 Minuten Fussweg von der Bremgartnerstrasse 66, 200 Quadratmeter angemietet. Gemeinsam mit meinem Bruder Michi, der Innenarchitekt ist, planen wir die neue Location mit Fokus auf Kurse, Events zum Thema Kaffee. . Dieser Schritt bedeutet für uns einen Quantensprung.

Was bringt Ihnen dieser Quantensprung bitte?

An der bisherigen Adresse an der Bremgartnerstrasse 66 fokussieren wir auf den täglichen Kontakt mit den Kunden: Im Showraum beraten wir die Kunden über die Unterschiede der Siebträgermaschinen und Mühlen, verkaufen Kaffeebohnen und stehen mit Tipps und Tricks zur Seite. Die Werkstatt nimmt sich den defekten Maschinen an und repariert sie zügig.

In der neuen Lokalität an der Gerhardstrasse 1 werden wir ein ganzes Bündel an Kursen für den Home-Barista aufbauen. Starten werden wir mit einem klassischen Home-Barista Einsteigerkurs. Nach und nach wollen wir spannende Events zum Thema Kaffee anbieten. Es schweben mir z.B. Events mit der Aram, Anlässe mit unseren Partnerröstereien, Espressoverkostungen, Firmenevents und anderes vor. Der Kreativität sind da keine Grenzen gesetzt.

Der neue Ort soll aber auch ein Ort der Ruhe für unser Team werden. Es wird ein Platz geben in welchem wir Maschinen (z.B. Energieverbrauch) oder Kaffeebohnen ausgiebig testen können. Wir wollen diesen Ort auch nutzen um selber mehr Kaffeewissen aufzubauen welches wir dann wieder weitergeben können.  

Und last but not least: Warum ist Espresso besser als Kaffee?

Ich finde das kann nicht so allgemein gesagt werden. Alle Zubereitungsarten haben ihre Berechtigung. Im Filterkaffee können fruchtige, feine Aromen sehr gut zur Geltung kommen, der Schweizer Café Crème zeichnet sich durch seine Sanftheit aus und der Kaffee aus der Mokkakanne kann eine spannende Textur haben. Ich denke der beste Kaffee ist der den man am liebsten hat.

Vielen Dank für das interessante und informative Gespräch.

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About Karl Heinz Nuber

Nuber ist langjähriger unabhängiger Uhren Journalist und begann seine Karriere in den frühen 80er Jahren. Durch das Sammeln kam er zum Schreiben. Er ist Gründer des vierteljährlich regelmässig bilingual – Deutsch und English - erscheinenden TOURBILLON Magazin’s, der digitalen TOURBILLON Plattform TICK-Talk, der Ausstellungs- und Event Plattform Art of TOURBILLON und TOURBILLON TV. Er tritt regelmässig als Kenner der Branche in Erscheinung.

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