Branchenexperte und Gründer des Beratungsunternehmen LuxeConsult Oliver R. Müller prognostiziert “eine Rückkehr zur Normalität, die zugegebenermassen weniger prickelnd ist als die vergangene Champagnerparty”. Die meisten CEO’s in der Uhrenindustrie überschätzen Ihre Performance und schaden dann der Uhrenmarke mit Kurzarbeit und Entlassungen enorm.
Auf sinkende Exporte reagieren die Uhrenfirmen mit der Entlassung von Temporären, mit Kurzarbeit und mit einer Flexibilisierung der Arbeitszeit. Insbesondere die Swatch Group wälzt die Krise so auf die Mitarbeitenden ab.
Führungskräfte sollten vermehrt Verantwortung zeigen
Ein Großteil der Krise ist hausgemacht. Der europäische Markt wurde zugunsten Asiens sträflich vernachlässigt, diese Arroganz rächt sich jetzt. Die Szene wurde regelrecht ausgetrocknet, hiesige Fachhändler haben nicht mehr die gefragten Modelle für ihre Schaufenster bekommen, die sie haben wollten. Das hat treue Kunden vergrätzt. Und: Die Preise sind absurd. Man kann nicht einfach ein und dasselbe Uhrenmodell jedes Jahr um 6 Prozent teurer machen, wie das etliche Marken getan haben. Solche ständigen Preiserhöhungen machen den Markt kaputt.
Zudem verwechseln die hochbezahlten Führungskräfte in der Uhrenindustrie eines: Sie sind dafür da “Produkte zu verkaufen” – und “nicht sich selbst um den eigenen Marktwert zu erhöhen”.
Rückgängige Umsätze jedoch nicht bei allen Marken
Nach der Pandemie explodierten die Verkaufszahlen der Schweizer Uhrenhersteller: 2023 exportierten sie Uhren im Wert von 26,7 Milliarden Franken, ein Allzeithoch! 2024 lagen die weltweiten Exporte der Schweizer Uhrenindustrie dann drei Prozent tiefer als im Vorjahr. “Das Volumen der verkauften Uhren wird dieses Jahr abnehmen – die Exportstatistiken per Ende Juni 2025 zeigen ein Minus von zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. Aber die Situation ist je nach Marke und Markt stark verschieden”, so Oliver R. Müller. “Man darf nicht vergessen, dass dieser Wert ein Durchschnitt ist, der von ganz wenigen gut gehenden grossen Marken überproportional nach oben gedrückt wird. Es gibt Marken, die in diesem Jahr einen Rückgang von 20 bis 30 Prozent zu verkraften haben”, so Müller.

Als Gründe für den Rückgang der Verkäufe nennen Unternehmen den starken Franken, geopolitische Unsicherheiten und vor allem eine rückläufige Nachfrage in China als Auswirkung der chinesischen Immobilienkrise.
Besonders betroffen von der Situation in China ist die Swatch Group. Der Umsatz des grössten Schweizer Uhrenkonzerns sank 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 14,6 Prozent auf 6,74 Milliarden Franken. Der Aktienkurs der Swatch Group kennt seit 10 Jahren nur eine Richtung: abwärts.
Temporäre zahlen Zeche
Um in Krisenzeiten Geld zu sparen, entlassen die Uhrenfirmen ihre temporären Mitarbeitenden. Solenn Ochsner, die bei der Unia Neuenburg für die Uhrenindustrie zuständig ist, sagt: Die Verträge werden nicht verlängert, und in der Regel erfahren wir das nur, wenn unsere Mitglieder uns darauf hinweisen. Ochsner sagt weiter: «Bei der Swatch Group kam es bisher kaum zu Entlassungen von Festangestellten und auch nicht zu Kurzarbeit, doch die Swatch Group nutzt ein anderes Mittel, nämlich die Jahresarbeitszeit.»
Der Mechanismus zur Flexibilisierung der Arbeitszeit ist im GAV so vorgesehen und wird von der Swatch Group rege genutzt. Solenn Ochsner sagt:
Der Beschäftigungsgrad der Arbeitnehmer wird reduziert, ohne dass ihr Gehalt gekürzt wird. Später, wenn dann die Geschäfte wieder besser laufen, müssen sie die fehlende Arbeitszeit durch unbezahlte Überstunden ausgleichen.
45-Stunden-Woche
Jedes Unternehmen, das dem Uhren-GAV unterstellt ist und die Arbeitszeit flexibilisieren will, muss mit der Unia eine Vereinbarung aushandeln und von den Mitarbeitenden genehmigen lassen. Dabei darf die Arbeitszeit nicht unter 30 Stunden pro Woche gesenkt werden. Der Negativsaldo wird dann mit einer Arbeitszeit von bis zu 45 Stunden pro Woche ausgeglichen anstatt der im GAV vorgesehenen maximal 40 Stunden.
Ist eine Erholung des Uhrenmarktes zu erwarten
Kurzarbeit ist in den Zulieferbetrieben weit verbreitet, und weil keiner weiss, wie der Auftragsbestand in wenigen Wochen oder Monaten aussehen wird, herrscht bezüglich der nahen Zukunft Unsicherheit, was zusätzlich auf Stimmung und Moral schlägt. “Die Trendumkehr ist sicher nicht 2025 zu erwarten und wird nicht eine V-Form annehmen, sondern eher eine Stabilisierung – immer noch auf hohem Niveau – mit anschliessendem Wachstum ab 2026. Allgemein werden die Konjunkturzyklen kürzer, und man muss sich der “Normalität” solcher Achterbahnen anpassen und versuchen, sie zu managen, was eine grosse Herausforderung für das Management von Uhrenmarken darstellen wird”, so Oliver R. Müller.