Der frühere österreichische Finanzminister, vorübergehende Kronprinz von Kanzler Bruno Kreisky (SPÖ) und Industrielle Hannes Androsch ist am 11. Dezember 2024 im 87. Lebensjahr verstorben. Er war bis zuletzt ein hellwacher und kritischer Zeitgenosse und Unternehmer, wie er mir in Erinnerung bleiben wird.
Kaum ein Österreicher war im vergangenen halben Jahrhundert in den Medien so omnipräsent und in der Politik so gestalterisch tätig wie Androsch. Er wurde am 18. April 1938 im „roten“ Floridsdorf geboren, auch seine Familie war politisch so geprägt.
1953 wurde er Bezirksobmann der Sozialistischen Mittelschüler, neun Jahre später stand er dem Verband Sozialistischer Student_innen in Österreich (VSStÖ) vor. Nach einem Diplomstudium an der Hochschule für Welthandel startete Androsch als Steuerberater in der Kanzlei seines Vaters und übernahm diese 1965 nach dessen Tod.
Schon 1963 begann er für den SPÖ-Parlamentsklub zu arbeiten, 1967 zog er in den Nationalrat ein. 1970 machte Kreisky den 32-Jährigen zum – bis dahin – jüngsten Finanzminister der Zweiten Republik. Als solcher war er Verfechter der Schilling-Hartwährungspolitik, Kritiker sahen ihn aber auch an der Wiege von Kreiskys Deficit-Spending-Politik stehen, die mit Staatsausgaben die Wirtschaft ankurbeln wollte. „Ein paar Milliarden mehr Schulden bereiten mir weniger schlaflose Nächte als hunderttausend Arbeitslose“, war Kreiskys oft zitierter Spruch.
1976 wurde Androsch Vizekanzler und galt als solcher lange als Kronprinz des „Sonnenkanzlers“. Doch das persönliche Verhältnis zwischen Kreisky und Androsch verschlechterte sich nach und nach – was Androsch selbst auf krankheitsbedingte Persönlichkeitsveränderungen Kreiskys schob, er sprach von „alttestamentarischem Hass“ des Kanzlers ihm gegenüber. 1978 kam erstmals Kritik daran auf, dass Androsch seine Steuerberatungskanzlei Consultatio als Minister weitergeführt hatte.
Bruch im Jahr 1980
Schließlich legte Kreisky 1980 ein wohl auch gegen Androsch gerichtetes Programm zur politischen Sauberkeit auf. Als dann die Kritik an ihm auch im Zusammenhang mit dem im gleichen Jahr gestarteten Untersuchungsausschuss zum AKH-Neubau wuchs, erklärte Androsch Ende 1980 seinen Rücktritt. Er schied wenig später aus dem Nationalrat aus und trat auch als SPÖ-Vizechef zurück.
Tiefer Fall als Creditanstalt-Chef
Unmittelbar nach seinem Rücktritt wurde Androsch Stellvertreter von Heinrich Treichl an der Spitze der Creditanstalt, im Juli 1981 übernahm der „Rote“ die „schwarze“ Bank. Doch Androschs Zeit als CA-Chef war von gerichtlichen Auseinandersetzungen überschattet: Nach mehrjährigen Gerichtsverfahren wurde er 1988 schließlich wegen falscher Zeugenaussage vor dem AKH-Untersuchungsausschuss schuldig gesprochen und trat als CA-Generaldirektor zurück.
1993 folgte noch ein letztinstanzliches Urteil wegen Steuerhinterziehung. Androsch selbst bezeichnete die Causa gegen ihn von allem Anfang an als Beispiel für „politische Justiz“.
Aufstieg als Industrieller
Seine 2015 erschienene Autobiografie betitelte Androsch „Niemals aufgeben“ – das tat er auch in dieser Phase. Ab Ende der 1980er Jahre baute er seine Steuerberatungskanzlei zu einem Netz von Beratungs- und Wirtschaftsprüfergesellschaften aus, die er unter dem Dach Androsch International Management Consulting (A.I.C.) zusammenfasste.
1994 startete er seine Karriere als Industrieller, als er mit dem Management die marode staatliche Leiterplattenfirma AT&S kaufte und später an die Börse brachte. Der Kaufpreis war mit 90 Mio. Schilling vergleichsweise niedrig. Mit dem Handyboom wurde das Unternehmen trotz rezessionsbedingter Rückschläge zu einem technologisch führenden Leiterplattenhersteller, mit Produktionsniederlassungen in Indien und China.
Zahlreiche Beteiligungen
Als er 1997 mit dem befreundeten RLB-OÖ-Chef Ludwig Scharinger die Salinen dem Staat abkaufte, wurde Androsch zum „Salzbaron“ geadelt, der gerne auch in seiner zweiten Heimat Altaussee Hof hielt. Androsch beteiligte sich in der Folge an zahlreichen weiteren Unternehmen, etwa dem Flugzeugzulieferer FACC, der BAWAG und dem Wettanbieter bwin. Andere Akquisitionsversuche – etwa der DDSG-Personenschifffahrt, von Semperit-Reifen und Lenzing – scheiterten.
Doch ganz im Sinne eines Citoyens zog sich Androsch in den vergangenen Jahren nicht aufs Altenteil zurück. 2003 wurde er Chef des Unirats der Montanuniversität Leoben. 2007 übernahm er den Aufsichtsratsvorsitz der maroden Austrian Research Centers (ARC), die er als Austrian Institute of Technology (AIT) wieder flott machte.
„Kämpfer für Bildung und Wissenschaft“
2008 wurde er zunächst stellvertretender, ab 2012 Aufsichtsratsvorsitzender der Bankenbeteiligungsholding des Bundes, FIMBAG, 2010 Vorsitzender des Rats für Forschung und Technologieentwicklung (RFT) und damit „unermüdlicher Kämpfer für Bildung, Forschung und Wissenschaft“, wie ihn der Autor Peter Pelinka einmal nannte. Er war zudem Regierungskommissär für die österreichische Beteiligung an der Expo in Schanghai und treibende Kraft des Bildungsvolksbegehrens 2011.
Später gab der Vater dreier Kinder in einem wahren Stakkato Bücher heraus, deren Spektrum vom „Viva-Mayr-Kochbuch“ über Thesen zur Zukunft Österreichs („Das Ende der Bequemlichkeit“) bis zu Wendepunkten der Weltgeschichte („1848. 1918. 2018“) reichte. Auch im hohen Alter war er noch oft gefragter Gesprächspartner und Kommentator des politischen Geschehens. Androsch nahm sich nie ein Blatt vor den Mund und richtete auch der Politik bis zuletzt gerne seinen Unmut aus. Im Zuge der Coronavirus-Pandemie etwa sagte er: „Die Corona-Hilfsmaßnahmen sind weitgehend glanzvoll gescheitert“, die handelnden Politiker in Österreich seien „Ankündigungshelden“.
Trauer über Parteigrenzen hinweg
Die Trauer um Androsch geht über Parteigrenzen hinweg. „Androsch war als Manager und Unternehmer erfolgreich. In den letzten Jahren war er ein unermüdlicher Mahner für Reformen in der Schul- und Bildungspolitik. Hannes Androsch zeigte Präsenz bis zum letzten Atemzug. Er war eine Persönlichkeit, die fehlen wird. Sein plötzlicher Tod macht mich tief betroffen“, so Bundespräsident Alexander Van der Bellen.
„Österreich trauert um Hannes Androsch. Er war langjähriger Finanzminister und ist zeit seines Lebens ein hochpolitischer Mensch und zudem ein höchst erfolgreicher Unternehmer gewesen. Ich werde die Gespräche und den Gedankenaustausch mit ihm vermissen! Ruhe in Frieden!“, so Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP). „Hannes Androsch hat als Bruno Kreiskys Finanzminister das sozialreformerische und wirtschaftspolitische Großprogramm der Sozialdemokratie der 1970er Jahre maßgeblich geprägt und dazu beigetragen, Österreich zu einem modernen Industriestaat zu machen“, sagte SPÖ-Bundesparteivorsitzender Andreas Babler.
„Bis zum Schluss die Zukunft Österreichs im Blick“
„Mit Hannes Androsch verliert Österreich eine Persönlichkeit, die unsere Republik entscheidend geprägt hat“, erklärte FPÖ-Chef Herbert Kickl. Androsch sei abseits unterschiedlicher politischer Standpunkte eine „Persönlichkeit mit großem Haus- und Sachverstand“ und ein „politischer Pragmatiker“ gewesen, der Kritik auch dann nicht scheute, „wenn es seine eigene politische Heimat betraf. Auch das zeichnete den großen Österreicher Hannes Androsch aus.“
„Als Finanzminister in schwierigen Zeiten hat er bewiesen, dass soziales Denken und wirtschaftlicher Pragmatismus keine Gegensätze sein müssen“, meint Grünen-Chef Werner Kogler und nannte Androsch „einen der klügsten Köpfe, der unser Land sowohl politisch als auch wirtschaftlich nachhaltig geprägt hat“.
„Bis zum Schluss hat er immer die Zukunft Österreichs im Blick gehabt. Egal ob Bildung, Forschung oder Infrastruktur: Er hat nach vorne geschaut und seine Energie dafür eingesetzt“, schrieb NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger auf der Plattform X.
SUMMARY_Wir sind uns ständig über den Weg gelaufen, Hannes Androsch und ich. Angefangen hatte jedoch alles mit dem Österreicher Ball, der einmal im Jahr im Dolder in Zürich wo er Schirmherr war stattfand. Eines Tages kam er auf mich als akkredierten WIFI Wirtschaftsberater zu, ob ich ihn nicht unterstützen könnte, die ÖIAG zu privatisieren. Die Privatisierungen wurde schrittweise von 1987 bis 2000 erfolgreich durchgeführt. Damals war auch der Lustenauer Malik im Team. Hannes meinte, ob ich mich nicht daran störe, dass Prof. Malik schon erste Schritte eingeleitet hatte. Wer mich kennt, der weiss, dass ich keine Berührungsängste hatte und habe. Die Umwandlung geschah auf Basis der Novelle BGBl. I Nr. 96/2018 zum ÖIAG-Gesetz 2000. Mit dem ÖIAG-Gesetz 2000 wurde die ÖIAG in eine Privatisierungsagentur umgewandelt. Neben den Industriebeteiligungen übernahm sie auch die Zuständigkeit für den Bereich der ehemaligen Post- und Telegraphenverwaltung. Mit Wirksamkeit vom 20. Mai 2000 wurden die beiden Holdinggesellschaften Post und Telekombeteiligungsverwaltungsgesellschaft und Post und Telekom Austria Aktiengesellschaf mit der ÖIAG verschmolzen. TICK TALK Redaktion und Verlag kondolieren der Familie Androsch.