Die Edelmarke Montblanc, eine Tochtergesellschaft des millionenschwerern Schweizer Luxusgüterkonzern Richemont, steht in der Kritik. In einer Produktionsstätte ihres Lieferanten sollen Menschen für weniger als drei Euro pro Stunde gearbeitet haben.
Eine Tasche für 2000 Euro, ein Füller für 800 Euro, ein Ledergürtel für 400 Euro – all das und mehr findet man auf der Webseite der Luxusmarke Montblanc. Die Schweizer Firma rühmt sich damit, dass sie ihre Produkte „in Handarbeit“ hergestellt werden, die Lederwaren entstehen „im Herzen des italienischen Lederhandels, in Florenz“. Dort produzieren auch andere Marken der Muttergesellschaft, dem Richemont-Konzern, ihre Produkte.
Montblanc und andere Luxuskonzerne lassen Arbeiter in Italien für Hungerlohn arbeiten
Doch hinter der „Handarbeit“, auf die Montblanc so stolz ist, soll sich eine Schattenseite verbergen. Das berichten mehrere Medien übereinstimmend – und zwar schon seit Jahren. „In der Region um Florenz chrampfen (Anm. d. Red: schwer arbeiten, schuften) Tausende von Migrantinnen und Migranten zu Dumpinglöhne in den Lederwerkstätten von Subunternehmen“, heißt es in einem Bericht der Schweizer Workzeitung vom Oktober. Besonders im Fokus: Die Zuliefererfirma Z Production, die auch für Montblanc Waren herstellt. Auch andere Luxusfirmen im Richemont-Imperium sollen dort ihre Produkte herstellen lassen. Das erzählen die ehemaligen Arbeiter und Arbeiterinnen.
„Wir haben sechs Tage die Woche zwölf Stunden am Stück gearbeitet. Dafür verdienten wir “zwei bis drei Euro pro Stunde”, berichtete der Arbeiter Zain aus Pakistan gegenüber dem Schweizer Nachrichtenmagazin 20 Minuten. „Wir hatten keine Rechte – wie Sklaven“. In der Reportage geht es um die Zustände hinter den Luxusunternehmen, die in Italien produzieren.
Gewerkschaften machen auf unmenschliche Situation in Italien aufmerksam
Dabei ist Montblanc kein Einzelfall, wie die italienische Gewerkschaft Sudd-Cobas weiß. Seit Jahren schon setzt sie sich für die Rechte von migrantischen Arbeitern in der Toskana ein, die „wie in Sweatshops“ arbeiten. Die meisten Menschen, die in den Zuliefererbetrieben arbeiten, kommen aus China, berichtet 20 Minuten. Die Menschen müssten sechs oder sieben Tage am Stück arbeiten, haben kein Recht auf Urlaub oder Krankheitstage, erzählt die Gewerkschafterin Francesca Cuiffi. „Sie [die Luxuskonzerne] haben hier ein kleines Bangladesch, ein kleines Pakistan, ein kleines China erschaffen“, sagt sie.
Einen Erfolg konnte Sudd-Cobas schon mit ihren Aktionen gegen die Luxusfirmen erzielen: Die Löhne der Beschäftigten wurden 2023 von drei Euro pro Stunde auf acht Euro angehoben. Doch wie die Workzeitung berichtet, hat beispielsweise Montblanc kurz nach Erreichen der Einigung die Aufträge bei Z Production gekürzt und Ende 2023 komplett aufgekündigt. „8 Euro sind dem Richemont-Konzern offenbar zu teuer“, schreibt das Portal. Seitdem ruft die Gewerkschaft immer wieder zu Protesten in der Region auf, um auf die Situation der “Made-in-Italy”-Fabriken aufmerksam zu machen.
NGO macht auf Dumpinglöhne in Europa aufmerksam: Richemont reagiert nicht
Das scheint irgendjemandem in der Branche nicht gut zu gefallen. Denn wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, werden die Gewerkschafter mittlerweile bei den Protesten bedroht. Ein Schlägertrupp sei in der italienischen Stadt Prato, wo im Oktober 2024 eine solche Aktion stattfand, mit Eisenstangen auf Demonstrierende losgegangen. „Das nächste Mal schießen wir“, sollen sie gesagt haben, als sie den Ort verließen. Dieselbe Geschichte erzählt nun auch 20 Minuten in der Reportage. Auf Anfrage der Redaktion habe sich Richemont nicht zu den Vorwürfen geäußert.
Auf die Missstände aufmerksam macht die europäische NGO Clean Clothes Campaign. Mit ihrer Kampagne „Europe Floor Wage“ macht die NGO auf die Niedriglöhne in der Textilbranche aufmerksam. „Ein auskömmliches Gehalt zu verdienen ist ein Menschenrecht, aber die Löhne von Arbeitern in der Textilbranche in Europa liegen unter der Armutsgrenze“, heißt es dort. In Europa sei die Marge zwischen Gehältern der Durchschnittsbevölkerung und denen in der Textilwirtschaft noch größer als in vielen asiatischen Ländern, so Clean Clothes Campaign.
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