Enzo Ferrari galt die Piste von Le Mans einst als sein Wohnzimmer – bis er 1968 die Nase voll hatte von den Regeländerungen beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Zur 100. Auflage kehrt die Marke jetzt zurück und setzt gleich ein Ausrufezeichen.
Das härteste und leider auch unfallträchtigste Autorennen der Welt galt einst als Domäne der Ferraris; der 13,6 Kilometer lange Rennkurs als Wohnzimmer des Gründer Enzo Ferrari (1898–1988). Jedes Jahr existiert er nur für ein Wochenende – schon am Montag nach dem Rennen werden sich wieder die Pendler aus der 150’000-Einwohner-Stadt Le Mans auf den vorher zur Piste umfunktionierten Strassen stauen. Über 340 km/h schaffen heutige Boliden auf den langen Geraden, auch wenn die wegen der hohen Geschwindigkeiten immer wieder entschärft wurden. Le Mans ist gnadenlos für Mensch und Maschine – und keine Promi-Party. VIPs stehen hier ganz normal in der Schlange für Bier und Burger.
Neun Siege, eine bittere Niederlage
Ferrari dominierte in den 1950er- und 1960er-Jahren mit neun Gesamtsiegen ab 1949. Die letzten räumte man gar in einer Reihe zwischen 1960 und 1965 ab. Und dann? Fertig Ferrari. Zuerst demütigte die US-Marke Ford 1966 die Enzo-Equipe, weil sich der Patron geweigert hatte, an Ford zu verkaufen und ins zweite Glied zu treten. Drei GT40 rollten fast gleichauf über die Ziellinie – und auch in den beiden Folgejahren räumten die US-Boliden ab. Eine Regeländerung verbot aus Sicherheitsgründen dann ab 1968 grosse Hubräume – Ferrari zog sich ab 1973 zurück aus der Top-Klasse in Le Mans.
Aber jetzt ist die Marke mit zwei Ferrari 499P mit Hybridantrieb wieder zurück. 680 PS (500 kW) leistet deren V6, hinzu kommt ein E-Motor mit 272 PS (200 kW). Aus Reglement-Gründen bleibts dennoch bei insgesamt 680 PS.
Genug für einen Paukenschlag in der Qualifikation: Am heutigen Samstag starten beide von der Pole in der ersten Reihe. Irre drei Minuten und 22,9 Sekunden brauchte die Startnummer 50 für die schnellste Runde; der zweite Ferrari Nummer 51 lag kaum acht Zehntelsekunden dahinter. «Wir wussten, dass wir schnell sind. Aber das hat uns doch überrascht», sagt der Däne Nicklas Nielsen (26), der sich das bestplatzierte Auto mit dem Italiener Antonio Fuoco (27) und dem Spanier Miguel Molina (34) beim Rennen teilen wird.
Schnelle Runden reichen nicht
Kein Wunder, feiert Ferrari. Aber eingetütet ist der Sieg längst nicht: In der Quali wird nicht vollgetankt, gibts zwei Extra-Sätze Reifen und keine Limite beim Luftdruck – jede Marke kann voll auf Tempo gehen. Das sieht im Rennen anders aus. Auch mit langsameren Runden kann man gewinnen, wenn man dafür störungsfrei ins Ziel kommt. Einst war die Zuverlässigkeit Ferraris grosser Trumpf – dieses Jahr müssen sie die erst noch beweisen. Wird er panisch, wenns im Auto verdächtig knackt? «Irgendwas knackt immer», sagt Nielsen. Er behandle den 499P einfach so pfleglich wie möglich.
Konkurrenten gibts zum 100-Jahre-Jubiläum so viele wie lange nicht mehr: Seriensieger Toyota (2018–2022), Seriensieger Porsche (zuletzt 2015–2017), Cadillac und das US-Profiteam Glickenhaus treten in der Topklasse an und auch Peugeot mit dem Thuner Nico Müller (31) am Steuer könnte Chancen haben – lag in der Qualifikation aber acht Sekunden hinter den Ferraris zurück. Ein Konkurrent bleibt Ferrari immerhin erspart: Ford ist 2019 aus Le Mans ausgestiegen.
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