Sonntag , 26 Oktober 2025
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Der “gekaufte” Roger Ruegger

Roger Ruegger ist heute Chefredakteur von WatchTime USA. Zuvor war er freier Journalist spezialisiert auf Taucheruhren. Auf diversen digitalen Plattformen hilft er “vermeintlichen” Medien Schaffenden – Vloggern und Bloggern – in Form einer Knigge wie man zum Beispiel bei Watches and Wonders akkreditiert wird. “Trittbrettfahrer aus der Uhrenszene, die nur Uhren abgreifen wollen” hatten ihn angefragt, wie man eine Einladung zu Watches & Wonders erhält.

Hier Roger’s detaillierte Gedanken und Kommentare, die Aufschluss über seine Persönlichkeit geben.

Ignoranz oder Unkenntnis des Veranstalters:

schon die Baselworld hatte immer wieder gezeigt, wie einseitig man die Welt ab und zu doch sieht, angefangen von Terminen an einem Samstag (Sabbat) bis hin zu Unmengen von (meinem Lieblingsgetränk) Rivella im Pressezentrum, das ausserhalb der Schweiz fast keiner kennt und niemand mit Laktose-Intoleranz anfasst. Kann also gut sein, dass die in Genf ansässige Organisation der Watches and Wonders heuer vor allem English-sprachige und asiatische Publikationen auf dem Radar hatte. Und die Landes-Verantwortlichen wiederum ganz einfach wenig Kenntnis von der hiesigen YouTube-Landschaft hatten. Oder TikTok.

Restriktive Handhabung des Pressepools: Vielleicht hatte man auch einfach zu wenige Tickets (die Baselworld im 2019 hatte noch 3’300 Journalisten verzeichnet. Watches and Wonders im 2023 lediglich 1’400. – Das heisst, bis zu 1’900 Journalisten vom klassischen Pool wurden nicht eingeladen.)

Real existierende Schwierigkeiten bei der Zuordnung:

Behandelt man Teddy Baldassare nun als Journalisten, oder wird er als Retailer eingeladen? Selbe Story mit Hodinkee. Oder wie reagieren die ausstellenden Marken auf die Anwesenheit eines CPO-Händlers wie WatchBox? Die Pulverisierung resp. Verschiebung des Business-Modells der Verlage und die Existenz neuer Marktteilnehmer hat die Situation also nicht einfacher, übersichtlicher gemacht.

Kontrolle und ROI: die Luxusgüter-Industrie hat ein hohes Interesse, die “narrative” zu kontrollieren oder möglichst positiv, qualitativ hoch und nach Plan zu sehen. Im Falle einer Veranstaltung wie der Watches and Wonders heisst das vermutlich auch, dass man den ausstellenden Partnern die formal und inhaltlich beste (also nicht objektivste oder gar kritischste) Berichterstattung bieten möchte. Und ob nun ein gemeinsames in die Hocke gehen für einen TikTok-Clip tatsächlich mehr Uhren verkauft oder neue Kunden für die Uhrmacherei begeistert sei jetzt einfach mal dahingestellt. Was mich zum nächsten Punkt bringt.

Quantität versus Qualität:

Sicher der bedeutendste Punkt in der Diskussion, warum ein Vlogger mit 10k Followern eingeladen wird, eine mit 50k aber vielleicht nicht – erreicht der oder die Vlogger/YouTube/Influencer/etc. die “richtige” Zielgruppe, oder halt eben nicht. Um die Ferrari-Analogie zu bemühen: die italienische Automarke hat 16 Millionen Follower auf Facebook, also definitiv kein Reichweiten-Problem. Die Frage ist nun, wie erreicht man die rund 15’000 Leute, die sich im laufenden Geschäftsjahr auch so einen Wagen leisten können. Ergo: Uhrenenthusiasten, die gerne und intensiv mit anderen über Uhren reden, müssen kurzfristig nicht zwingend mit der Gruppe an Leuten deckungsgleich sein, die sich mehrere Patek’s im Jahr in den Safe legen. Oder – vereinfacht gesagt – nicht zwingend deckungsgleich sein mit den Kunden, die Marke X erreichen möchte. Und vergleicht man die Kommentare auf Kanal 1 und 2, sieht man manchmal schon , wo das Publikum seinen Schwerpunkt setzt.

Konsequenz von Fehlverhalten: immer wieder spannend zu sehen, wie sich mancher Content Creator an solchen Events als Elefant im Uhrenladen bewegt und sich dann wundert, nicht (mehr) eingeladen oder auf einer Sperrliste zu landen. Es ist und bleibt eine Business-Veranstaltung, da sollte man sich halt auch professionell benehmen.

Und ja, es kann natürlich auch eine Kombination von mehreren Punkten sein: Die Veranstaltung hat – das zumindest ist schwarz auf weiss belegbar – massiv weniger Journalisten zugelassen (mit den Worten der Watches and Wonders Verantwortlichen: zu den 1’400 Journalisten vor Ort gab’s noch “2,600 journalists who were able to follow the entire program online”), sicher auch im Sinne einer (angepeilten) Qualitätssteigerung und nicht primär, um Kosten zu sparen. Und vermutlich ist nicht jeder YouTuber den Marken oder dem Veranstalter bekannt, und nicht jeder YouTuber berichtet so, wie man sich das gerne wünscht, an Leute, die man gerne hätte.

Roger Ruegger

About Karl Heinz Nuber

Nuber ist langjähriger Uhren Journalist und begann seine Karriere in den frühen 80er Jahren. Er ist Gründer des vierteljährlich regelmässig bilingual – Deutsch und English - erscheinenden TOURBILLON Magazin’s, der digitalen TOURBILLON Plattform TICK-Talk, der Ausstellungs- und Event Plattform Art of TOURBILLON und TOURBILLON TV. Er tritt regelmässig als Kenner der Branche in Erscheinung.

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