Freitag , 7 November 2025
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Chinesen schiessen gegen europäische Luxusbrands

Auf Tiktok wird behauptet, dass Edelmarken ihre Ware in China produzieren liessen – stimmt dies?

Tiktok-Videos aus China wollen enthüllen, dass westliche Luxusmarken ihre teuren Güter im Fernen Osten produzieren. Wie viel Wahrheit dran ist, ist allerdings nicht klar.

Der Handelskrieg zwischen China und den USA hat ein neues Kapitel. Und zwar überhäufen sich in den vergangenen Tagen auf Social Media Videos von angeblichen Leitern und Vermittlern chinesischer Produktionsstätten, die scheinbar Produktionsgeheimnisse westlicher Luxusmarken aufdecken. Darunter vor allem eines: Unsere geliebten Hochpreis-Brands würden heimlicherweise in China hergestellt.

Einer dieser Exponenten nennt sich in seinen Videos Wang Sen und beleuchtet besonders die Luxus-Taschenindustrie. Dabei gibt er mit seinem ausführlichen Wissen und den scheinbar echten Taschen und Produktionsstätten seinen Aussagen eine Glaubwürdigkeit.

Birkin Bag für 1400 Dollar?

Am Beispiel des Birkin Bag von Hermès zeigt er auf, wie die Luxus-Taschen produziert werden. Gemäss Sens Aussagen koste diese in der Produktion nämlich nur 1400 US-Dollar. Der Preis im Laden liegt bei 38’000 US-Dollar. Er bietet gar an, die Tasche direkt an den Kunden zu verkaufen – ohne das Logo für nur 1000 US-Dollar.

Hermès nimmt auf Anfrage keine Stellung zu den Aussagen aus den Videos. Zudem verweist das Unternehmen auf seinen Geschäftsbericht, aus dem hervorgeht, dass 74 Prozent der Produkte in Frankreich produziert wurden, 55 Prozent zudem in eigenen Werkstätten.

Videos, wie die von Sen, erscheinen aktuell zuhauf in den sozialen Medien. Auch andere Marken wie etwa Lululemon kriegen ihr Fett weg – meist begleitet von einem Angebot zum Direktverkauf. ‹Doch wie viel Wahrheit steckt hinter den Aussagen?›

Hohe Wahrscheinlichkeit von Falschmeldungen

Patrik Schwendimann, Luxusgüter-Analyst bei der Zürcher Kantonalbank, erklärt auf Anfrage, dass vor allem nordamerikanische Marken einen Teil ihrer Produkte in China produzieren liessen. Beispielsweise Lululemon weise dies explizit bei der Lieferantenliste auf.

«Lederwaren von exklusiven europäischen Luxusmarken werden jedoch meines Wissens unverändert weitgehend in Europa und bei der grössten Lederwarenmarke Louis Vuitton teilweise auch in den USA produziert. Einzelne Komponenten können jedoch theoretisch auch aus China und anderen asiatischen Ländern stammen.»

Carola Dieners, Dozentin an der Schweizerischen Textilfachschule (STS), ergänzt: «Tatsächlich werden viele Luxusartikel oder deren Bestandteile in denselben Produktionsstätten gefertigt wie günstigere Produkte – teilweise sogar auf denselben Maschinen. Die Herstellungskosten, wie sie in den Videos genannt werden, können insofern realistisch sein.»

Kritisch zu bewerten sei allerdings, dass diese vermeintliche Transparenz- und Aufklärungsbewegung selbst auf Aufmerksamkeit und wirtschaftlichen Gewinn zielt. «Es entsteht eine neue Form der Irreführung – diesmal getarnt als ‹Enthüllung›», so Dieners.

Ein Spiel mit dem Feuer

Für diejenigen Produzenten, die tatsächlich das echte Produkt nun ohne Label direkt an den Kunden verkaufen, sei es ein Spiel mit dem Feuer, findet Schwendimann. «Fliegt das auf, werden die Produzenten sehr schnell ihre Lizenzen verlieren und von den Marken fallen gelassen.»

Auch rechtliche Konsequenzen dürften in diesen Fällen folgen. «Verkaufen sie eine direkte Kopie des Produkts, werden die Marken nicht lange mit einer Klage zögern.»

«Das Vertrauen wird untergraben»

Dass Konsumenten nun direkt bei den Produzenten die billigen chinesischen Produkte kaufen, hält Andrea Wolf-Simone, Schulleiterin der Zürcher Fashion Schule, in der Theorie zwar für möglich – in der Praxis aber selten. «Ohne die kuratorische Arbeit, das Design und die Markenführung verliert das Produkt oft seine kulturelle und emotionale Bedeutung. Das reine Produkt ist nicht gleich Luxus.»

Entsprechend sieht Wolf-Simone auch den Effekt für die Marken differenziert. «Solche Enthüllungen können kurzfristig das Vertrauen untergraben.» Doch: In der Ära des Hyperkonsums suchten Konsumenten nach Authentizität und emotionaler Verbindung. «Solange Luxusmarken diese emotionale Bindung aufrechterhalten, bleiben sie begehrenswert.»

Auch Dieners von der STS hält einen Imageschaden insbesondere bei jüngeren Konsumentengruppen, die Wert auf Authentizität und Transparenz legen, durchaus für möglich. «Langfristig wird sich zeigen, ob Marken daraus lernen und ihre Kommunikation anpassen.»

SUMMARY_„Wenn Jemand eine Reise thut, // So kann er was verzählen; // Drum nahm ich meinen Stock und Hut, // Und thät das Reisen wählen!“ Dieses geflügelte Sprichwort von Matthias Claudius trifft zu. Als vielgereister Journalist konnte ich in Indien Produktionsbetriebe entdecken, die für Hermés produzieren. Auch in Marrakesch und Shanghai gab es Produktionsbetriebe die für verschiedene bekannte Luxusmarken produzieren.

About Karl Heinz Nuber

Nuber ist langjähriger Uhren Journalist und begann seine Karriere in den frühen 80er Jahren. Er ist Gründer des vierteljährlich regelmässig bilingual – Deutsch und English - erscheinenden TOURBILLON Magazin’s, der digitalen TOURBILLON Plattform TICK-Talk, der Ausstellungs- und Event Plattform Art of TOURBILLON und TOURBILLON TV. Er tritt regelmässig als Kenner der Branche in Erscheinung.

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