Er galt als einer der ältesten aktiven Unternehmer der Welt. Nun ist der Tabakindustrielle Heinrich Villiger im Alter von 95 Jahren gestorben. Wer war der Mann, der im hohen Alter drei Zigarren am Tag rauchte?
Heinrich Villiger, der bekannte Patron der gleichnamigen Zigarrenfabrik, ist im Alter von 95 Jahren verstorben. Das teilte seine Familie am Montag mit. Villigers Ableben beendet eine Ära in der Schweizer Wirtschaft, die über sieben Jahrzehnte von seiner aussergewöhnlichen Präsenz und tiefen Leidenschaft für den Tabak geprägt war.
Villiger galt als der dienstälteste aktive Verwaltungsratspräsident der Welt. Journalisten, die mit Villiger zu tun hatten, beschreiben ihn als Mann «von altem Schrot und Korn». Sie erinnern sich, dass Villiger selbst im fortgeschrittenen Alter sie vom Bahnhof abgeholt habe – in einem alten Militärjeep. Bei den Gesprächen habe er geraucht und höflich wie humorvoll geantwortet, aber auch direkt und ohne Umschweife.


Etwa so: «Die Zigarre ist ein Symbol von Männlichkeit, je länger die Zigarre, desto imposanter die Erscheinung des Mannes.» Oder so: «Die Weltgesundheitsorganisation WHO will die Tabakindustrie auslöschen.»
Der Bruder von Kaspar Villiger
Villigers Leben war untrennbar mit dem Familienunternehmen verbunden, das sein Grossvater Jean Villiger 1888 im luzernischen Pfeffikon gründete und das seine Grossmutter Louise nach dessen frühem Tod erfolgreich weiterführte. Heinrich Villiger trat 1950 in die Firma ein.

Nach dem Tod seines Vaters Max 1966 übernahm er die Führung gemeinsam mit seinem jüngeren Bruder Kaspar Villiger. Als Kaspar, der später Bundesrat und UBS-Präsident wurde, 1989 aus der Firma austrat, wurde Heinrich Alleineigentümer.

Unter seiner Ägide wuchs Villiger Söhne zu einem globalen Unternehmen mit 1600 Angestellten und Produktionsstätten in sieben Ländern, darunter Deutschland, Indonesien, Brasilien und zuletzt Nicaragua, wo jährlich über eine Milliarde Zigarren und Zigarillos produziert werden.
Seine grösste unternehmerische Leistung sah Heinrich Villiger in der Expansion ins margenträchtige Premiumsegment der handgerollten Zigarren ab den späten 1980er-Jahren, ausgelöst durch den Import kubanischer Havannas.

Villigers Holding hielt bedeutende Anteile an Importgesellschaften für Havannas für Deutschland (Fith Avenue), Österreich, Polen und die Schweiz (Intertabak). Diese Beteiligungen, die hohe Gewinne abwarfen, waren zuletzt durch Bestrebungen des kubanischen Monopolisten Habanos gefährdet, die Wertschöpfungskette stärker zu integrieren.

Er führte das Unternehmen durch Zeiten, in denen das «Stumpenland» – gemeint ist die Gegend im oberen Wynental mit ihrer Tabakproduktion im Kanton Aargau – schrumpfte und die Tabakbranche zunehmend reguliert wurde.

Trotz aller Gesundheitswarnungen verteidigte er das Recht auf freien Genuss und lehnte unverhältnismässige Werbeverbote ab. Er sah Gruppendruck, nicht Plakate, als Hauptursache für den Rauchbeginn bei Jugendlichen.
Schreibmaschine statt E-Mail
Villiger arbeitete bis zuletzt ohne Handy und Computer, erledigte seine Korrespondenz ausschliesslich auf der Schreibmaschine. Danach wurde sie von seiner Sekretärin eingescannt und als E-Mail elektronisch versendet.
Seine Bürotür stand symbolisch offen für die Anliegen der Mitarbeiter. Persönlich genoss er schnelle Autos und Kunst. Seine tägliche Zigarrenzahl reduzierte er im hohen Alter von zehn auf drei Stück. Zigaretten lehnte er als Genussraucher ganz ab.
Die Nachfolge in der Familie erwies sich als seine grösste ungelöste Aufgabe. Keines seiner vier Kinder, die andere Karrieren verfolgten, wollte ins Tabakgeschäft einsteigen, was er als Enttäuschung empfand.
Obwohl seine Tochter und ein Enkel im Verwaltungsrat sassen, gelang es ihm nie, die operative Führung erfolgreich abzugeben. Versuche, Firmenchefs einzustellen, scheiterten meist schnell, da Villiger es gewohnt war, alle Entscheidungen selbst zu treffen und keine starken Persönlichkeiten neben sich zu dulden.
Ein von ihm aufgesetzter Aktionärsbindungsvertrag sieht vor, dass der Verwaltungsratspräsident zukünftig extern sein muss, womit er sich selbst zum «Letzten seiner Art» machte.
Trotz körperlichen Einschränkungen wie einem Herzschrittmacher, der ihn zur Aufgabe der geliebten Jagd zwang, und einem Velofahrverbot durch seine Frau blieb Heinrich Villiger bis zuletzt operativ tätig. Er arbeitete, weil es seine Leidenschaft war und ihm seine Hobbys körperlich nicht mehr möglich waren. «Was soll ich denn sonst machen?», fragte er gegenüber der NZZ.
Die Nachfolge ist bereits geregelt. Mit sofortiger Wirkung übernimmt Jvo Grundler das Verwaltungsratspräsidium. Der Jurist war seit 2020 Vize-Präsident und gilt als enger Vertrauter des Verstorbenen. «Heinrich Villiger war ein Patron alter Schule, der Mitarbeitende, Kunden und Partner mit seinem einmaligen Fachwissen und seinem Unternehmergeist zu begeistern wusste», so Jvo Grundler. «Ich fühle mich verpflichtet und geehrt, seine langfristig ausgerichtete Strategie im Sinne der Familie Villiger weiterzuführen.»
Corina Villiger und Heinrich Villigers Enkel Lucien Villiger bleiben gemeinsam mit Rolf Kaufmann im Verwaltungsrat aktiv und sichern so die Kontinuität des traditionsreichen Familienunternehmens.
Heinrich Villiger identifizierte sich mit seiner Firma, sie war seine Lebensaufgabe. Ein Leben für den Tabak, ein Leben für das Unternehmen – Heinrich Villiger hat es im wahrsten Sinne des Wortes bis zum letzten Zug gelebt.
SUMMARY_Heinrich Villiger prägte die Zigarrenbranche im In- und Ausland wie kaum ein Zweiter. Villiger war ein Patron der alten Schule, der noch nach Werten wie Vertrauen, Ehrlichkeit, Fairness lebte, die bei den heutigen Führungskräften völlig in Vergessenheit geraten sind. Villiger war Vorbild für eine Generation die sich “verloren” hat. Ich durfte ihn über Jahrzehnte begleiten. So zum Beispiel war er gerngesehener Gast (Speaker) an meinen Zigarren-Genuss-Seminare, die ich abends für Grossbanken und Privatbanken durchführen durfte. Die Bank lud jeweils 10 bis 20 Gäste (Kunden mit 100 Millionen Vermögen) in eine Bankeigene Villa ein, ich durfte dann die Teilnehmer in den Welt des Zigarrengenusses entführen. Höhepunkt nach dem gecaterten Dinner war dann immer eine Degustation, ein Pairing, mit einem Chateau Petrus (Jahrgang 1948) und einer Hoyo de Monterrey Epicure Especial (1948) oder einer Salomones. Heinrich Villiger krönte diese Veranstaltungen mit seiner Persönlichkeit und seinem umfangreichen Tabak- und Zigarrenwissen. Er kommunizierte alles in Bescheidenheit und Zurückhaltung wie ein echter Gentlemen. Für mich wird er unvergesslich bleiben!
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