Freitag , 3 Mai 2024
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Rolex kauft Bucherer – welche Konsequenzen hat dies für die beiden Marken und die gesamte Branche

Der renommierte Uhrenhersteller Rolex übernimmt den Traditionsjuwelier Bucherer und sichert sich damit erstmals den Zugriff auf eine Handelskette.

Ein historischer Jahrhundert-Deal: Die Uhrenmarke Rolex übernimmt das 135 Jahre alte Schweizer Familienunternehmen Bucherer und steigt damit in das Einzelhandelsgeschäft ein. «Nachdem Jörg Bucherer, der 87-jährige Patron des Uhren- und Schmuckhändler Bucherer in Ermangelung direkter Nachkommen die Entscheidung gefällt hatte, sein Unternehmen zu veräussern, hat Rolex beschlossen, den bislang eigenständigen weltweit grössten Uhrenfachhändler zu übernehmen», heisst es in einer am Donnerstag veröffentlichten Mitteilung von Rolex. Die Marke Bucherer werde weiterhin eigenständig agieren und ihren Namen behalten.

Der 87-jährige Bucherer Patron Jörg Bucherer liebt Oldtimer

Bucherer-Patron Jörg Bucherer, der keine Nachkommen hat, schreibt «von einem neuen Kapitel in unserer Geschichte». Die Übernahme müsse, so Bucherer weiter, noch von den relevanten Wettbewerbsbehörden (gemeint ist die WEKO) abgesegnet werden. Das dürfte eine reine Formsache sein, zumal Bucherer und Rolex in unterschiedlichen Märkten – Detailhandel und Uhrenherstellung – aktiv sind und beide über starke Konkurrenten verfügen.

Rolex übernimmt Bucherer

Rolex-CEO Jean-Frédéric Dufour

Nach einer fast 100-jährigen Beziehung zwischen den beiden Marken als autorisierte Einzelhändler wird Rolex nun Eigentümer von Bucherer. Damit betritt Rolex komplettes Neuland – war die erklärte Politik der Marke doch bisher, dass man den Verkauf der Uhren an die breite Öffentlichkeit zwar unterstützt, sich aber nicht daran beteiligt. Abgesehen von einer einzigen Rolex-eigenen Markenboutique in Genf – wo Rolex seinen Hauptsitz hat –, hatte das Unternehmen bisher eine öffentliche Distanz zu seinen Uhreneinzelhandelpartnern gewahrt. Das änderte sich mit der Pressemitteilung der beiden Marken vom 25. August 2023, in der die Übernahme der Bucherer-Gruppe angekündigt wurde. Doch wie kam es zu dem Deal?

Bucherer ist seit 2018 auch in den USA vertreten

Nach Angaben von Rolex beginnt die Geschichte der Übernahme mit der Tatsache, dass der Seniorchef von Bucherer, Jörg Bucherer, keine direkten Nachkommen hat, denen er das Unternehmen hätte hinterlassen können. Nach einer Untersuchung der möglichen Käufer von Bucherer schien Rolex am sinnvollsten zu sein. Laut der Pressemitteilung betreibt Bucherer selbst weltweit mehr als 100 Standorte. Dreiundfünfzig dieser Geschäfte vertreiben Rolex- und 48 Tudor-Uhren. Bucherer fungiert dabei unter anderem auch als offizielles Kundendienstzentrum für beide Marken. Bucherer ist aber nicht nur ein Einzelhandelsnetz, sondern verfügt auch über eigene Marken, darunter Schmuck und Uhren von Carl F. Bucherer. Im Jahr 2018 hat Bucherer dann zudem mit der Übernahme von Tourneau, einer traditionsreichen Kette von Uhrengeschäften in ganz Nordamerika, einen großen Schritt in Richtung Einzelhandel in den Vereinigten Staaten getätigt und die Tourneau-Filialen nach und nach auf den Namen Bucherer umgestellt. Vor Kurzem wurde ein riesiger Tourneau-Laden in Las Vegas als größte Bucherer-Filiale an der Westküste neu eröffnet, darüber hinaus gibt es einen Flagship-Store, die “Time Machine”, in New York. Während viele Faktoren die Hintergründe betreffend noch im Verborgenen liegen, ist allseits bekannt, dass Schweizer Unternehmen nicht gerne die Kontrolle an Nicht-Schweizer abtreten – was wahrscheinlich bei jedem anderen Käufer abgesehen von Rolex der Fall gewesen wäre. Bucherer und Rolex waren sich daher offenbar einig, dass der Kauf, auch wenn er Aufsehen erregen würde, im besten Interesse von Bucherer, Rolex, der Mitarbeiter, des Einzelhandelsnetzes und sogar der anderen Marken, die der Einzelhändler führt, war. In der Mitteilung bekräftigte Rolex beschwichtigend, dass Bucherer “sein Geschäft weiterhin unabhängig führen wird”. Was bedeutet das für die Uhrenindustrie?

Rolex: Marktstabilität durch Übernahme

Wenn man die Hintergründe für den Deal verstehen will, darf man nicht vergessen, wie mächtig Rolex derzeit in der Uhrenindustrie ist. Ein großer Prozentsatz aller verkauften Luxusuhren sind Rolex-Uhren, womit das Unternehmen seit einigen Jahren der erfolgreichste Hersteller von Luxusuhren ist. Keine andere Marke kommt dem auch nur annähernd nahe. Diese Marktmacht isoliert Rolex wahrscheinlich, wenn es darum geht, Einzelhändler von Drittanbietern zu verärgern, die befürchten könnten, dass Rolex nun versucht, in ihr Spiel einzusteigen. Daher ist es wahrscheinlich, dass Rolex Bucherer gekauft hat, um die Marktstabilität zu schützen und um sicherzustellen, dass ein anderer Käufer nicht in das heikle System eingreift, das die Einhaltung zahlreicher Regeln erfordert, um sicherzustellen, dass der Verkauf von Rolex-Uhren in den Augen der Marke ethisch und fair bleibt.

Für Rolex eine vertikale Diversifikation

Dass die beiden Firmen ein langjähriges spezielles Verhältnis hatten, war bekannt. Rolex ist für Bucherer, wie für alle Rolex-Händler, ein Glücksfall, denn wenige Uhrenmarken sind so begehrt und bringen dank ihrer Grösse soviel Umsatz. Von den über 100 Fachgeschäften, die zu Bucherer gehören, vertreiben 53 die Marke Rolex und 48 die Marke Tudor. Umgekehrt darf Bucherer für sich in Anspruch nehmen, die Marke bereits 1924 ins Sortiment genommen zu haben, als sie noch kaum etabliert war. Jörg Bucherer kannte den Rolex-Gründer Hans Wilsdorf persönlich. Er habe nach dem frühen Tod seines Vaters als 20-Jähriger ein Praktikum bei ihm machen dürfen, erzählte Bucherer vor einigen Jahren bei der Eröffnung des neuen Flaggschiff-Geschäfts an der Zürcher Bahnhofstrasse. Dort habe er gelernt, was konservative Unternehmenspolitik und extremes Qualitätsbewusstsein bedeuteten. Das habe ihm stark geprägt.

Diese enge Beziehung war keinesfalls die Grund für die Übernahme. Es erleichterte die Entscheidung für beide Seiten. Für mich als Kenner des Uhrenmarktes war es eine logische Konsequenz, diese Neuordnung respektive Neuaufstellung des Internationalen Uhrenmarktes. Dies wird auch eine Herausforderung für alle Marken weltweit, denn auch die Distribution der Marken schreit nach einer Zeitenwende.

Der Report „State of the Industry – Swiss Watchmaking in 2022“ von Morgan Stanley zeigt auf,  wie viele Uhren die 50 größten Uhrenmarken pro Jahr verkaufen – und wie viel Umsatz sie damit machen. Hier ein kurzer Auszug.
Marktanteile/Marktmacht der MarkenMit einem Marktanteil von 28,8 Prozent hat Rolex etwa so viel Marktmacht wie die fünf nächstgrößten Marken gemeinsam. Beeindruckend ist zudem, dass Rolex in den USA einen Marktanteil von 40 Prozent und in Großbritannien einen Marktanteil von 35 Prozent erreicht. Die USA sind der wichtigste Markt für die Schweizer Uhrenindustrie, Großbritannien immerhin der fünfwichtigste.
Konstant ist hier nur Rolex auf Platz 1. Aber auch wenn es auf den anderen Plätzen mehr oder weniger große Veränderungen gegeben hat: Die Top 10 sind in sich konstant und lassen seit 2017 keine andere Uhrenmarke auf den nachstehenden Plätzen rein. Auf den Plätzen 11 bis 15 liegen 2021 übrigens Breitling, Hublot, Vacheron Constantin, Jaeger-LeCoultre und Tudor.Die zehn grössten Uhrenmarken nach Umsatz
Jahresumsätze der MarkenDa Rolex seine Uhren aber zu 100 Prozent über den Großhandel vertreibt, spiegelt die Summe nicht den ganzen Umsatz wider, den Rolex machen könnte, wenn sie auch in den Direktverkauf (zu höheren Preisen) gehen würden. Der Großhandelsanteil der anderen 49 Marken schwankt beispielsweise deutlich zwischen 0 Prozent bis 90 Prozent). Je niedriger der Anteil vom Direkthandel, desto niedriger auch der Gesamtumsatz. Beeindruckend sind auch die Umsätze der anderen unabhängigen Uhrenmarken. Audemars Piguet verkauft zum Beispiel nur 45.000 Uhren pro Jahr (32. Platz), liegt beim Umsatz aber auf Platz 4 hinter Rolex, Cartier (Richemont) und Omega (Swatch Group). Das liegt daran, dass der durchschnittliche Preis pro Uhr im Handel bei Cartier und Omega jeweils um die 5.000 Schweizer Franken und bei Audemars Piguet bei 39.338 Schweizer Franken liegt (netto). Richard Mille verkauft sogar nur 5.000 Uhren pro Jahr, liegt aber auf Platz 7 der umsatzstärksten Marken durch einen durchschnittlichen Verkaufspreis von 226.000 Euro pro Uhr.
Interessant ist auch ein Blick auf die Eigentümer der jeweiligen Marken. Wenn wir die 50 Uhrenmarken ihren jeweiligen Eigentümern zuordnen, erhalten wir eine ganz neue Perspektive auf die Branche. Beispielweise sind unter den 50 Uhrenmarken alleine 13 Marken der Swatch Group vertreten. Die größte Gruppe bilden aber erfreulicherweise die unabhängigen Marken mit 17 Marken, wenn man Rolex hier nicht mit dazu zählt (was man eigentlich sollte, auch wenn Rolex mit Tudor noch eine weitere Marke besitzt). Apropos: Rolex (also Rolex und Tudor) setzt ziemlich genau so viele Uhren pro Jahr ab wie alle 17 unabhängigen Marken zusammen. Das ist schon beeindruckend.Verkaufte Stückzahlen der Holdinggesellschaften
Verkaufte Stückzahlen der UhrenmarkenEs fällt auf, wie viele Uhren Rolex (1,05 Mio.) im Vergleich zu vergleichbar hochwertigen Marken wie Audemars Piguet (45.000) oder Patek Philippe (68.000) verkauft. Schaut man sich hingegen Richard Mille mit 5.000 Stück an, wird klar, warum es für Normalsterbliche Uhrenträger fast unmöglich ist, an ein Modell zu kommen.
Rolex liegt beim durchschnittlichen Nettopreis seiner Uhren trotz der sonst so gigantischen Dominanz nur auf Platz 15 liegt. Spitzenreiter ist mit weitem Abstand Richard Mille, die pro Jahr zwar nur 5.000 Uhren verkaufen, durch den hohen Umsatz pro Uhr aber trotzdem die siebtgrößte Uhrenmarke nach Umsatz sind. Spannend ist auch, dass Richard Mille einen 100 prozentigen Direkthandel hat, also die genau gegenteilige Strategie zu Rolex verfolgt. Neben Richard Mille operiert nur A. Lange & Söhne so.Durchschnittlicher Nettopreis

SUMMARY

Zu Dufours-Mega-Deal: Zwischen 4 und 5 Milliarden Franken bezahlt Rolex für den langjährigen Partner Bucherer. Warum? Ein Grund: Chef Jean-Frédéric Dufour musste sicherstellen, dass er im Vertrieb auf strategische Kontinuität setzen kann. Auch für die Zeit nach Jörg Bucherer. Schliesslich verkauft Bucherer seine Uhren an gut 100 Verkaufsstellen in der ganzen Welt. 53 davon sind Rolex-Händler, 48 davon Tudor-Händler. Ausserdem musste Dufour sicherstellen, dass kein Konkurrent die Chance bekommt, das einzigartige Vertriebsnetz von Bucherer zu kaufen. Wenn etwa LVMH oder Richemont die Läden von Bucherer übernommen hätte, hätte er die Distribution von Rolex auf ganz neue Beine stellen müssen. 

About Karl Heinz Nuber

Nuber ist langjähriger unabhängiger Uhren Journalist und begann seine Karriere in den frühen 80er Jahren. Durch das Sammeln kam er zum Schreiben. Er ist Gründer des vierteljährlich regelmässig bilingual – Deutsch und English - erscheinenden TOURBILLON Magazin’s, der digitalen TOURBILLON Plattform TICK-Talk, der Ausstellungs- und Event Plattform Art of TOURBILLON und TOURBILLON TV. Er tritt regelmässig als Kenner der Branche in Erscheinung.

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